Die jüngsten Entwicklungen in Nordkoreas enger Verbindung mit Russland sind alarmierend. Die nordkoreanischen Lieferungen von Raketen und Artillerie an Russland in Verbindung mit der gegenwärtigen offenkundigen "Pro-Nordkorea"-Haltung Russlands, die sich über die internationalen Sanktionen hinwegsetzt, sind zunächst ein wichtiges Ereignis in den Beziehungen zwischen Russland und Nordkorea. Darüber hinaus scheinen der Nordkorea-Besuch von Wladimir Putin (nach 24 Jahren!) und der neue russisch-nordkoreanische Vertrag das Resultat beiderseitiger Interessen zu sein.
Nordkorea will sich China entziehen
Besonders überraschend ist jedoch, dass Nordkorea bemüht ist, Russland als Schutzschild zu benutzen, um sich dem Einfluss seines Vormundschaftsstaates China zu entziehen.
China hat bisher keine nennenswerte öffentliche Reaktion gezeigt, sondern arbeitet aktiv an der "Disziplinierung" Nordkoreas, seit es China sichtlich missachtet und pro-russische Tendenzen zeigt.
Intern reagiert China scharf
Intern setzt China die Sanktionen gegen Nordkorea streng durch, verschärft die Schmuggelkontrollen und verzögert die Öffnung der Grenze zwischen Nordkorea und China. Darüber hinaus verhängt China Ausreise- und Einreisebeschränkungen für Nordkoreaner, drängt nordkoreanische Arbeiter in China zur Rückkehr in ihre Heimat und verhält sich generell unkooperativ, um seinen Einfluss auf Nordkorea zu verstärken.
Ferner sind die Entfernung der "Fußabdruck-Plakette" zum Gedenken an das Gipfeltreffen zwischen Xi Jinping und Kim Jong-un von 2018 und die Akzeptanz des Gipfeltreffens zwischen der Republik Korea, Japan und China sowie des außen- und sicherheitspolitischen Dialogs zwischen der Republik Korea und China ein deutlicher Hinweis auf die chinesische Haltung.
Russische statt chinesische TV-Filme
Vor diesem Hintergrund ist es besonders überraschend, wie heftig die Gegenreaktion Nordkoreas auf China ausfällt. Nordkorea sagte geplante Sportbegegnungen mit China ab, verschärfte die Kontrollen über chinesische Nachkommen und stoppte Zahlungen in Yuan auf Märkten.
Das Fernsehprogramm, in dem bisher chinesische Filme dominierten, ist nun durch russische Filme ersetzt worden. Staatliche Medien wie Rodong Sinmun, die zuvor das "Blutbündnis" mit China betont hatten, stellten die Berichterstattung über China ein.
Diplomaten sollen China ignorieren
Es gibt sogar Gerüchte, wonach Kim Jong-un die nordkoreanischen Diplomaten in China angewiesen hat, sich nicht zu sehr um China zu kümmern.
Nordkoreas beispielloser Gegenschlag gegen China mag ungewöhnlich erscheinen, doch dürfte es sich dabei ausschließlich um eine Entscheidung und Strategie von Kim Jong-un persönlich handeln. Kim ist von China desillusioniert, da das Reich der Mitte – trotz seiner ständigen Rhetorik über eine "Allianz, die so eng ist wie Zähne und Lippen" – aufgrund seiner vorsichtigen Haltung gegenüber den USA keine angemessene wirtschaftliche Unterstützung geleistet hat.
Russland als Alternative
Folglich hat er sich Russland als Alternative zugewandt, um die stagnierende Wirtschaft durch einen verstärkten Austausch zwischen Nordkorea und Russland wieder anzukurbeln und technologische Unterstützung für die Weiterentwicklung der Atom- und Raketenfähigkeiten zu suchen. Hier ist jedoch eine tiefere strategische Ebene im Spiel: das Ziel, Russland als Kanal für die Verbesserung der Beziehungen zu den USA zu nutzen.
Derzeit beobachtet die Welt aufmerksam die bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen im November. Nachdem Donald Trump knapp einem Attentat entgangen war, ist seine zweite Amtszeit durchaus in greifbare Nähe gerückt. Es wird erwartet, dass seine mögliche zweite Amtszeit die Beendigung des Krieges zwischen Russland und der Ukraine und die Intensivierung der Bemühungen gegen China zur Priorität haben wird.
Kim hofft auf Trump und Putin
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die "Bromanze", die innige Männerbeziehung zwischen Trump und Putin, durch einen Kompromiss aus pragmatischen Vorteilen und Prestige wiederbelebt wird. Kim Jong-un wird Trump wahrscheinlich kontinuierlich über Russland umwerben. Kim stellt sich eine "trilaterale Bromanze" vor, bei der er sich mit Trump und Putin zusammentut, die sich als "starker Mann" positionieren.
Garantie der Diktatur
Kim versteht besser als jeder andere, dass nur Trump seine diktatorische Macht garantieren kann. Daher wird Nordkorea, solange es keine feste Zusage der USA gibt, gegenüber internationaler Kritik in Fragen wie Atomwaffen, Menschenrechte und Raketen unempfindlich bleiben. Stattdessen wird sich die nordkoreanische Führung darauf konzentrieren, die internen Kontrollen noch mehr zu verstärken und gleichzeitig den Führerkult um Kim Jong-un zu intensivieren. Damit will er seine Diktatur aufrechterhalten.
Nordkorea ist momentan nichts als sein Stolz geblieben. Die Tatsache, dass es statt der "China-Karte" nun auf die "Russland-Karte" setzt, um letztendlich auf die USA zu setzen, spiegelt wider, wie verzweifelt Kim angesichts der Regimekrise sein muss.
Für Russland ist Südkorea wichtiger
Sobald jedoch der Russland-Ukraine-Krieg beendet ist, wird Kim erkennen müssen, dass sein "Wunschdenken" nichts weiter als eine Illusion und Fantasie war. Russland wird der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Südkorea Vorrang einräumen und wird Nordkorea, das nichts zu bieten hat, wahrscheinlich im Stich lassen.
Isolierte Existenz
Außerdem wird Nordkorea, sobald es sich dem Einfluss Chinas entzogen hat, für die USA zu einem zweitrangigen Problem werden. Letztendlich wird Nordkorea einer Zukunft entgegensehen, in der es sowohl von China als auch von Russland missachtet und von den USA vernachlässigt wird. Dies ist ein fester Bestandteil der isolierten Existenz Nordkoreas. Kim sollte schnell begreifen, dass er wie ein Frosch ist, der langsam in heißem Wasser lebendig gekocht wird.
Der Autor der Analyse, Chung Eui-sung, ist ein nordkoreanischer Überläufer. Er hatte viele Jahre lang als Polizist in Nordkorea gedient. Als sein Cousin aus politischen Gründen hingerichtet wurde, flüchtete er nach Südkorea, um der Kollektivstrafe zu entgehen. In Südkorea nahm er seine Ausbildung wieder auf und erwarb einen Doktortitel in Nordkoreastudien. Heute ist er Direktor des World Institute for North Korea Studies (Weltinstituts für Nordkoreastudien). Aufgrund der nordkoreanischen Drohungen gegen ihn und seine Familie hält er sich von öffentlichen Aktivitäten zurück. Die Analyse in diplo.news ist eine Ausnahme.