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Wie Trump den Karlspreis gewinnen könnte...

Statt in die weiter wachsenden US-Schulden und die amerikanische Rüstungsindustrie sollten die Europäer ihre Kapitalreserven und Ersparnisse in den Euro investieren
April 17, 2025
April 17, 2025

Von Josef Braml

Notenbankchef Jerome Powell sorgt sich um die Stabilität des US-Finanzsystems. Die Schulden wüchsen schneller als die Wirtschaft, erklärte er kürzlich. (Quelle: Flickr.com, Federal Reserve)

Es war kein Zufall, dass am Tag der Bekanntgabe von Donald Trumps Wahlsieg die Regierungskoalition in Deutschland zerbrach. Der damalige Finanzminister und Vorsitzende der FDP, Christian Lindner, hielt am Sparkurs fest, während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht länger ignorieren konnte, dass Trumps Rückkehr ins Weiße Haus eine dramatische Neuausrichtung der deutschen Nachkriegsaußenpolitik erfordert, die viel Geld kostet.

Leider haben Scholz und seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU) wertvolle acht Jahre verstreichen lassen, in denen sie Deutschland und Europa auf eine absehbare Entwicklung hätten vorbereiten können. Merkel erkannte zwar, dass Deutschland sich „nicht mehr auf andere verlassen“ können würde, ergriff aber keine Maßnahmen, um die Sicherheit und den Wohlstand Deutschlands angemessen zu schützen.

Nun liegt es an Friedrich Merz, Merkels langjährigem Parteirivalen und künftigen Kanzler, die Versäumnisse wieder gutzumachen und Deutschland und Europa in eine neue Weltordnung ohne Pax Americana zu führen. Das wird umso schwieriger, als der neue US-Präsident nicht nur die transatlantische Bindung gekündigt hat, sondern auch die andere Säule deutscher Außenpolitik, die europäische Einheit, zerstören will. Durch die Unterstützung bestimmter antieuropäischer Parteien in verschiedenen EU-Ländern scheinen Trump und seine Helfer J.D. Vance und Elon Musk im Sinne eines „divide et impera“ zu versuchen, Spaltungen innerhalb Europas zu schaffen, um mehr Einfluss auf die einzelnen Komponenten zu gewinnen.

Jede Krise bietet eine Chance. Trumps „America First“-Nationalismus könnte Europa dazu zwingen, seine strategischen Schwächen zu beheben und sich an eine multipolare Welt anzupassen. Europa wird seine Interessen gegen die Vereinigten Staaten verteidigen müssen, da Trump einen transaktionalen Ansatz mit anderen Mächten verfolgt.

Rasanter Schuldenanstieg - unter jeder US-Regierung

Gemeinsame Verschuldung könnte die Verteidigung Europas stützen und den Wiederaufbau der Ukraine finanzieren, indem sie Militär- und Sozialausgaben (vulgo: guns versus butter), austariert. Anstatt ihre Devisenreserven und Ersparnisse für Investitionen in US-Schulden und die Stärkung des militärisch-industriellen Komplexes der Weltmacht zu verwenden, könnten sich die europäischen Länder und Investoren darauf konzentrieren, ihre Währung, ihre Sicherheitskapazitäten, ihre digitale Infrastruktur und ihre Zukunftstechnologien zu stärken.

Angesichts der enormen US-Staatsverschuldung würde ein tiefer, liquider Markt für sichere EU-Anleihen internationalen Anlegern die Möglichkeit zur Risikodiversifizierung bieten. Sie könnten ihr Geld in auf Euro lautenden Anleihen statt in US-Bonds parken. Mit einem wachsenden Staatsdefizit und steigenden Zinsen wird die Haushaltslage in den USA immer unhaltbarer. Indem der „alte“ Kontinent seine Kapitalreserven in den Euro investiert und Europa wirtschaftlich und militärisch stärkt, könnte er sich auf eine Welt des verschärften geoökonomischen und geopolitischen Wettbewerbs vorbereiten.

In dieser neuen Weltordnung, die von Risiken geprägt ist, kann nur die europäische Einheit die notwendige Marktmacht und Handlungsoptionen bieten, die die Selbstbestimmung des Kontinents gewährleisten. Vor Trumps Rückkehr ins Weiße Haus haben Begriffe wie „strategische Unabhängigkeit“ und „Autonomie“ jedoch nur die unzureichende Entscheidungsfindung und die dringend reformbedürftigen Kompetenzen der EU kaschiert.

Wenn die Europäer diese historische Chance wirklich ergreifen, dann sollten sie auch den Mut haben, Trump für den Karlspreis (der seit 1950 für Verdienste um die europäische Einigung vergeben wird, d. Red.) zu nominieren. Um seine Gefühle nicht zu verletzen, sollte er allein dafür geehrt werden, dass er den Europäern geholfen hat, ihre nationalistischen Eitelkeiten zu überwinden - auch wenn Russlands Wladimir Putin und Chinas Xi Jinping sicherlich durch Drohungen und Taten ihren Teil dazu beigetragen haben werden.

Dr. Josef Braml (Quelle: DGAP)

Josef Braml ist Europäischer Direktor der internationalen Denkfabrik Trilaterale Kommission. Der Politikwissenschaftler ist ein ausgewiesener USA-Experte, arbeitete in großen US-Thinktanks und als legislativer Berater des US-Abgeordnetenhauses. Für das Buch "Der amerikanische Patient" erhielt er auf der Frankfurter Buchmesse den renommierten getAbstract International Book Award für Wirtschaftsliteratur. Gemeinsam mit Mathew Burrows, einem der führenden US-Sicherheitsexperten, verfasste er das soeben erschienene Buch „World to Come – The Return of Trump and the End of the Old Order“ .