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Wo ist dein Plan, Europa?

Es gibt nur ein Rezept für den Umgang mit Donald Trump: eine Position der Stärke. China hat es vorgemacht.
January 22, 2025
January 21, 2025

Von Michael Backfisch, Berlin

Die italienischer Ministerpresidentin Giorgia Meloni bei der Amtseinführung von Donald Trump als 24. US-President in Washington. Foto: @GiorgiaMeloni, x.com

Nationalistisch, migrationsfeindlich, rachevoll gegenüber der Vorgänger-Administration: Donald Trump ist mit Karacho in seine zweite Amtszeit gestartet. Und wie reagiert Europa? Mit Beschwörungsformeln, die nach Gesundbeterei klingen, vor allem in Deutschland.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) empfiehlt einen „geraden Rücken“ gegenüber Trump. Gut gebrüllt, Kanzler. Im Trump-Lager wird das mächtig Eindruck machen. Ähnliche Töne kommen von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). „Unsere Antwort auf dieses ‚America First Again‘ ist ‚Europe United‘“, meint sie. Ähnlich hört es sich bei Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz an: „Was ist unsere Antwort: kleinmachen, kuschen, Angst haben?“ In der Europäischen Union lebten 450 Millionen Einwohner, mehr als in Kanada und Amerika zusammen.

Das sind Beschwichtigungsappelle und Ausflüsse politischer Selbstsuggestion. Wer in den Zeiten von Trump 2 das Loblied auf Europas Stärke als Wirtschafts- und demokratische Wertemacht singt, macht sich etwas vor. Die EU ist gespalten und zieht nicht an einem Strang. Die Geschlossenheitsaufrufe sind hohl und bestenfalls Wunschdenken. Rechtspopulistische Regierungschefs wie Italiens Giorgia Meloni oder Ungarns Viktor Orbán scheren aus und versuchen, mit Trump ihr eigenes nationales Süppchen zu kochen. Der neue US-Präsident liebt das: Bei bilateralen Abkommen kann er besser die Bedingungen diktieren, als wenn ihm eine einige EU gegenübertritt.  

Man muss sich fragen: Wo ist dein Plan, Europa? Die Gemeinschaft hatte acht Jahre Zeit, sich auf die zweite Amtszeit Trumps vorzubereiten. Wo ist die schlagkräftige Strategie, wo ist die raffinierte Taktik? Die ernüchternde Erkenntnis lautet: Fehlanzeige. „Europa muss auch die Sprache der Macht lernen“, hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einmal gesagt. Eine Forderung, die im Nichts verhallte. Europa ist in der Ära Trump 2 eine Projektionsfläche für Träumer.  

Wie es funktionieren kann, hat China vorgemacht. Die Volksrepublik war bei Trumps erstem Wahlsieg 2016 – wie alle anderen – völlig unvorbereitet. Inzwischen hat sich Peking auf Trump eingestellt. Schwingt Trump die Zollkeule, blockiert China Metalle wie Gallium und Germanium – Materialien, die für die Batterie- und Chipindustrie wichtig sind. Aber aus einer Position der Stärke kann Peking auch Zugeständnisse anbieten.

Um sich beim Export weniger von Amerika abhängig zu machen, hat die Volkrepublik längst die Schalter umgelegt. So wurden neue Märkte in Südostasien, Lateinamerika und Afrika erschlossen. Die EU hingegen braucht mehr als 20 Jahre, um das Mercosur-Abkommen mit südamerikanischen Ländern zu verhandeln.

Aber die Führung in Peking denkt nicht nur taktisch, sie verfolgt einen langfristigen Plan. China will bis 2049 – dem 100. Geburtstag der Volkrepublik – wirtschaftlich und im Bereich der Innovation weltweit an der Spitze stehen. In zehn Schlüsselbranchen wie etwa Elektromobilität, Robotertechnologie oder Luft- und Raumfahrttechnik wird die globale Marktführerschaft angestrebt.

Europa – und das schließt Großbritannien mit ein – braucht eine ähnliche Vision der Stärke. Wirtschaftlich, militärisch und politisch. Unternehmen müssen optimale Bedingungen ohne zu viel bürokratische Gängelung bekommen. In diesen Zeiten sind leistungsfähige Volkswirtschaften das Maß aller Dinge – nicht soziale Leistungen, die aus der Substanz finanziert werden. Trump ist ein Weckruf: Europa findet zu einer Position der Stärke – oder es geht unter.