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Trump is back

Der Republikaner Donald Trump hat die Präsidentschaftswahl gewonnen. Für Deutschland und Europa sollte das ein Weckruf sein
Autor:
Michael Backfisch, Berlin
/
November 22, 2024
November 6, 2024
Trump erklärt in West Palm Beach seinen Sieg. Mit ihm auf der Bühne feiert die Familie (Foto: GOP, x.com)

Nicht wenige in Deutschland und Europa haben der USA-Präsidentschaftswahl mit einer ordentlichen Portion Wunschdenken entgegengefiebert. Tenor: Mit Kamala Harris könnte es eine Fortsetzung der transatlantischen Beziehungen im Stile von „JoeBiden light“ geben. Diese behagliche Projektion ist nun geplatzt. Mit der Wahl von Donald Trump müssen sich Deutschland und Europa auf raue Zeiten einstellen. Vor allem mit Blick auf Sicherheit und Wirtschaft.  

Ukraine-Krieg: Trump behauptete im Wahlkampf mehrfach, den russischen Angriffskrieg noch vor seinem eigentlichen Amtsantritt „binnen 24 Stunden“ beenden zu können. Wie das gehen soll, erklärte er nicht. Zugleich brüstete er sich, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin „großartig“ zurecht zu kommen. In Berlin und Brüssel wird deshalb befürchtet, dass der Republikaner die Ukraine über einen Stopp der Militärhilfe zu Verhandlungen mit Russland zwingen könnte. Ein schnelles Ende des Krieges herbeizuführen würde dann vermutlich bedeuten, dass Kyiv einen großen Teil des von Russland besetzten Territoriums abgeben müsste. Nach Angaben des Pentagons haben die USA seit Kriegsbeginn Militärhilfe in Höhe von mehr als 60 Milliarden Dollar geleistet. Wie dieses Volumen von den Europäern kompensiert werden könnte, ist heute angesichts allseits knapper Kassen schleierhaft. Deutschland hat der Ukraine zwar Waffen über mehr als zehn Milliarden Euro geliefert – das ist hinter den USA Platz zwei im internationalen Ranking - doch die Ampelkoalition hat bereits höchste Not, sich auf den nächsten Haushalt zu einigen. Wie zusätzliche Milliarden für das bedrängte Land lockergemacht werden sollen, ist aus heutiger Sicht völlig unklar. Die Bundesregierung wäre aber nicht annähernd in der Lage, die US-Lücke zu füllen – selbst dann nicht, wenn sie eine Notlage feststellen und erneut die Schuldenbremse aussetzen würde.

Immerhin: Um unabhängiger vom US-Engagement zuwerden, baut die Nato derzeit in Wiesbaden ein Ukraine-Kommando auf. Dieses soll sich um die Koordinierung von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte kümmern. Das sind Aufgaben, die bisher von den Vereinigten Staaten wahrgenommen werden.

Nato: Viele in Europa fragen sich, ob die Sicherheitsgarantie und der Atomschirm der USA auch unter Trump weiterhin gelten. Die meisten Politiker sind überzeugt: Ohne die US-Atomwaffen und die rund 100 000 auf dem Kontinent stationierten US-Soldaten wäre Europa nicht sicher gegen Russland. Konkrete Hinweise auf einen möglichen US-Rückzug aus der Nato gibt es nicht. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit 2017 spielte Präsident Trump mit dem Gedanken eines Nato-Austritts, konnte aber durch die „Erwachsenen“ in seinem Kabinett - so wurden Realpolitiker wie der damalige Verteidigungsminister James Mattis genannt - davon abgehalten werden. Allerdings fordert Trump von den Verbündeten, mehr Geld für ihre eigene Verteidigung auszugeben – und stellt dabei den Beistandspakt in Frage. Im Frühjahr löste er große Empörung mit der Aussage aus, er werde zahlungssäumigen Nato-Partnern nicht zu Hilfe kommen, falls diese angegriffen würden. Er werde die Russen dann sogar ermutigen, mit ihnen zu tun, „was immer sie wollen“.

In der Nato wird in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass viele europäische Verbündete ihre Verteidigungsausgaben in den vergangenen Jahren erheblich gesteigert haben. Beim Nato-Gipfel in Wales 2014 hatten sich die Alliierten auf das Ziel geeinigt, zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Wörtlich: Die Regierungen streben an, „sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von 2 Prozent zuzubewegen“. 23 der 32 Nato-Mitglieder haben die angestrebte Zielmarke mittlerweile erreicht. Auch Deutschland ist inzwischen – zumindest vorübergehend – bei den zwei Prozent angekommen, die Trump in seiner ersten Amtszeit vehement eingefordert hat. Ob ihm das nun noch reicht, wird man sehen. Die US-Militärausgaben liegen im laufenden Jahr nach der Nato-Statistik mit 3,38 Prozent des Bruttoinlandsprodukts immer noch deutlich höher als die deutschen mit 2,12 Prozent.

Wirtschaft: In seiner ersten Amtszeit zettelte Trump einen Handelskrieg mit China an und verhängte eine Reihe von Strafzöllen auf Produkte aus der Europäischen Union. Nun sagt er, er wolle eine drastische Ausweitung der Zölle auf fast alle aus dem Ausland importierten Waren. 10 bis 20 Prozent sollen die Zölle auf Waren aus Ländern betragen, „die uns seit Jahren abzocken“. Für China drohte er gar Zölle zwischen 60 und 100 Prozent an. Das würde auch viele deutsche Unternehmen treffen, die in der Volksrepublik produzieren und vor dort aus unter anderem in die USA exportieren. Zölle betrachtet Trump als ein Mittel, um Amerikas Handelsbilanz-Defizit mit vielen Ländern abzubauen. Damit will er den Produktionsstandort USA stärken. Für deutsche Unternehmen ist Amerika weltweit der wichtigste Exportmarkt. Es werden viel mehr Waren dorthin ausgeführt als eingeführt. Im vergangenen Jahr erzielte Deutschland einen Handelsbilanz-Überschuss von 63,5 Milliarden Euro. Das ist Trump ein Dorn im Auge. Auch für Firmen aus der EU waren die USA 2023 der wichtigste Waren-Exportmarkt.

Nach Berechnungen des Münchner ifo-Instituts bringt eine erneute Trump-Präsidentschaft massive Nachteile für den deutsch-amerikanischen Handel. Fast die Hälfte von rund 2000 befragten Betrieben erwartet Verschlechterungen. „Besonders Unternehmen mit engen Wirtschaftsverbindungen in die USA rechnen mit negativen Folgen bei einem Wahlsieg von Trump“, sagte Ifo-Experte Andreas Baur bei der Präsentation der bereits vor der US-Wahl vorgestellten Studie. „Allerdings befürchten auch viele Unternehmen ohne direkte Exportbeziehungen in die USA negative Auswirkungen, denn sie können zum Beispiel als Zulieferer trotzdem indirekt betroffen sein.“ Allein durch die von Trump in Aussicht gestellten Zölle würden die deutschen Exporte in die USA um knapp 15 Prozent sinken, so Baur.

Besonders hart könnte es für die deutsche Autoindustrie und ihre Zulieferer werden. Für Hersteller wie Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz sind die USA zusammen mit China der wichtigste Absatzmarkt außerhalb der EU. Sonderzölle hätten voraussichtlich erhebliche negative Auswirkungen. Erneut eskalieren könnte auch der Konflikt um von Trump in seiner ersten Amtszeit eingeführte Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte. Er konnte durch einen Deal mit dem derzeit amtierenden US-Präsidenten Joe Biden entschärft werden – aber dessen Laufzeit endet im März kommenden Jahres. So bereitet sich Brüssel bereits auf einen neuen großen Handelskonflikt vor: Sollte Trump neue Zölle einführen, würde die EU aller Voraussicht nach mit Vergeltungszöllen auf US-Importe reagieren. Im Idealfall wären diese so folgenreich für amerikanische Hersteller, dass sie Trump an den Verhandlungstisch brächten, wo dann eineeinvernehmliche Lösung gefunden werden könnten.

Steuererhöhungen aus der Amtszeit Bidens will sein Nachfolger, der am 20. Januar 2025 inauguriert wird, allesamt rückgängig machen. Stattdessen sollen alle Steuersenkungen, die er 2017 veranlasst hatte, verlängert und auch erweitert werden. Die Körperschaftssteuer für Unternehmen, die ihre Produkte in den USA herstellen, will er von 21 auf 15 Prozent senken. Durch Steuerdumping will er „anderen Ländern die Arbeitsplätze wegnehmen“.

Europa: Die Wiederwahl von Trump sollte ein Weckruf für Europa sein. Der Kontinent müsste alle Kräfte bündeln, um im geopolitischen Machtspiel zwischen Trump-Amerika, Russland, China und bellizistisch eingestellten Autokratien wie Iran oder Nordkorea bestehen zu können. Es bedarf einer Vision für ein politisch, wirtschaftlich und militärisch starkes Europa. EU-weit müssen Bürokratie abgebaut, staatliche Gängelung für Unternehmen beseitigt und Bedingungen für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft geschaffen werden. Die Anschaffungen für das Militär müssten viel besser koordiniert werden. Die Zeiten, Bestellungen nur durch die nationale Brille zu sehen, sind endgültig vorbei. Das erfordert neue Formen der politischen Kooperation in der EU und gewaltige finanzielle Kraftanstrengungen. Aber vor allem: politische Führung.