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Telefondiplomatie

Brisante Botschaften in der langen Leitung oder auf der Mailbox
March 20, 2025
March 19, 2025

von Ewald König

So zeigt eine russische Zeitung auf der Titelseite das Telefonat von Donald Trump und Wladimir Putin

Donald Trump ist 78 Jahre alt, Wladimir Putin 72. Beide sind in einer Zeit aufgewachsen, in der es richtige Fernsprechapparate gab. Wer erwartet hatte, dass das jüngste Telefonat zwischen den beiden ein Videocall oder ein Zoom-Meeting wäre, irrt. Sie hatten nicht einmal AirPods im Ohr stecken, jene kabellosen Kopfhörer, die in ihrer Enkelgeneration gar nicht wegzudenken sind. Auch Smartphones haben die beiden verschmäht. Nein, sie telefonierten wie früher, sie hatten richtige Hörer in der Hand, Hörer mit Kabelleitungen dran, sodass sie am Schreibtisch sitzen mussten und im Büro nicht auf- und abgehen konnten, wie man es bei längeren Gesprächen gerne tut. Ich glaube jedoch, ihre Apparate hatten keine Wählscheiben mehr, sondern Tasten.

Sie haben auch tatsächlich miteinander gesprochen – und nicht, wie es CDU-Chef Friedrich Merz vorgemacht hat, wichtige Botschaften nur auf der Mailbox hinterlassen. Es scheint auch festzustehen, dass die beiden höchstpersönlich dran waren und die Leitung nicht von findigen Kabarettisten oder Stimmenimitatoren gekapert wurde, die sich als Präsident ausgegeben haben. Ist ja alles schon vorgekommen. Und sie sind offenbar sofort durchgekommen, ganz im Unterschied zu den Deutschen, die eine Behörde oder ein Unternehmen anrufen und in der Warteschleife so lange verschmoren, bis sie endlich aufgeben. Soweit die gesicherten Fakten.

Aber was haben Trump und Putin besprochen? Was haben sie vereinbart? Ihre jeweiligen Erläuterungen nach dem Telefonat widersprachen einander total. Politikanalysten fanden schnell heraus, dass Trump erwartungsgemäß über den Tisch gezogen worden sei. Sogar über die Länge des Gesprächs gibt es verschiedene Meldungen. Sie variieren von einer Stunde bis zweieinhalb Stunden. Manche haben auch gemutmaßt, dass Putin sein Gegenüber wieder absichtlich warten ließ, wie er es auch bei Staatsbesuchen gerne tut. 

Also was haben sie besprochen? “Eigentlich nichts“, weiß Boris Pistorius. Wohl gemerkt: Pistorius, der Verteidigungsminister. Nicht Olaf Scholz, der noch amtierende Bundeskanzler. Der kommentierte das Telefonat nämlich nicht. Er hat viel Erfahrung damit, wie man Häme erntet, wenn man Putin in der langen Leitung hat. So wie alle anderen Staatenlenker und Regierungschefs zuvor, die Putin zur Vernunft hatten bringen wollen, so ist auch Scholz gescheitert. Dafür musste er sich schwere Vorwürfe anhören. Denn Putin ist knallhart. Und er genießt es, zeigen zu können, wie er keineswegs isoliert ist, da die anderen doch den Kontakt zu ihm suchen und nicht umgekehrt er den anderen nachläuft. Ebenso genießt es Putin, wie westliche Akteure wie in einem Wettlauf Aufmerksamkeit im Kreml suchen. 

Desgleichen genießt er es, wie Europa nicht mit einer Stimme zu ihm spricht, sondern jeder Exponent extra. EU-Außen- und Sicherheitspolitik mit einer Stimme – das war zwar einmal geplant, und es gäbe auch reichlich Personal dafür, aber es findet nicht statt. Obwohl Henry Kissinger hundert Jahre alt geworden ist, hat trotzdem nie eine Antwort auf seine berühmteste Frage bekommen: „Wen rufe ich an, wenn ich mit Europa sprechen will?“ 

Und noch etwas dürfte Putin genießen: Kaum haben die beiden den Hörer aufgelegt, schickte er wieder Drohnen auf die ukrainische Infrastruktur. Das tat er auch nach früheren Telefonaten mit westlichen Anrufern. Übrigens auch direkt nach dem Telefonat Olaf Scholz` im vergangenen November, als er Bomben auf die Ukraine regnen ließ. Auch bei Angela Merkel machte er keine Ausnahme. Und schon 2014, unmittelbar vor der Annexion der Krim, musste sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Telefonat mit Moskau anhören, Berichte über einen unmittelbar bevorstehenden Angriff Russlands auf die Ukraine seien "provokative Spekulationen“. 

Ich bin zwar immer dafür, Gesprächskanäle offen zu halten. Auch mit Moskau. Aber die Versuche mit Telefondiplomatie haben sich nicht als erfolgreich erwiesen. Es sind hilflose Inszenierungen von Diplomatie. Ob sie vielleicht nicht einmal die Telefongebühren wert waren, werden wir erst später im Rückblick beurteilen können.