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Public Diplomacy zwischen Verlässlichkeit und Vertrauen

Die Abnutzung der Diplomatie / OpEd von Dietrich von Kyaw
Autor:
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November 14, 2024
October 22, 2024

Früher lautete die Devise für einen Diplomaten: Schweigen und zuhören. Das diente dem Instrument der Geheimdiplomatie. Noch heute versieht man diplomatische Unterlagen mit „Vertraulich“-Vermerken.

Zugleich gewinnt das Verlangen nach Öffentlichkeit und Transparenz vor allem in demokratischen Staaten immer mehr an Gewicht. Besonders voran schreitet in Sachen Public Diplomacy das deutsche Auswärtige Amt unter Außenministerin Annalena Baerbock.

 

Fehler und Risken

Botschafter werden dort im Gegensatz zu früher im Umgang mit Medien zu „öffentlichen Personen“ erklärt. Bei allem grundsätzlich zu befürwortenden Gebot einer „modernen“ Diplomatie sind neben Übertreibungen, Fehlern und Politisierung die Abnutzung des Mittels der Diplomatie und Gefährdung ihres kostbarsten Gutes, des Vertrauens, als Risken zu sehen. Im nächsten Bundestagswahlkampf wird „Friedensdiplomatie“ ein großes Thema werden.

Es ist kein Zufall, dass das Auswärtige Amt eines Hans-Dietrich Genscher heute nicht mehr wiederzuerkennen ist. Es leidet wie andere europäischen Außenämter an der Entscheidung der Verträge von Maastricht und Lissabon, den Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs den Ministerräten der EU intergouvernemental bei Geltung des Einstimmigkeitsprinzips überzustülpen.

 

Weisungskompetenz übernommen

Das haben diese genutzt, um in der Europa- wie der Außenpolitik geradezu eine Art von Weisungskompetenz zu übernehmen. Den Ministern und nicht nur den Außenämtern verbleiben die Mühen der Ebene und eine Flucht in Public Diplomacy!

Nimmt man bei der Bundesregierung hinzu, dass sie von drei statt bislang jeweils zwe iParteien gebildet wird, die sich auch noch teilweise recht grundsätzlich unterscheiden, dann stellt sich zugleich die Frage nach Kohärenz und außenpolitischer Verlässlichkeit.

 

Interne und europäische Widersprüche

So beschwerte sich vor einigen Wochen ein recht enttäuschter europäischer Kollege beim Verfasser, was man davon halten solle, wenn nach einer klaren, von europäischen Werten bestimmten Zusagen des Auswärtigen Amtes das Bundeskanzleramt aus wirtschaftlichen Gründen dann das Gegenteil betreibe.

Ich hätte dem Kollegen erklären können, dass wir bei der Gaspipeline mit Russland wie gegenüber China der Wirtschaft den Vorrang eingeräumt hätten oder dass er sogleich ins Kanzleramt hätte gehen sollen. Ich habe es nicht getan, denn schließlich leide auch ich unter wachsenden internen wie europäischen Widersprüchlichkeiten, ja Zersplitterung!    

  

Der Verfasser, Botschafter a.D. Dr. Dietrich von Kyaw, ehemaliger Ständiger Vertreter Deutschlands bei der EU, ist Autor des Buches „Deutschland und die Selbstbehauptung Europas“, LIT-Verlag Münster/Westf. 2022