Von Ralf E. Krüger, Johannesburg
Johannesburg - Söldner, Rebellen, Regierungssoldaten, Blauhelme: Ein seit langem schwelender Konflikt im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) droht nach dem Fall der wichtigen Millionenstadt Goma zu einem regelrechten Krieg mit dem Nachbarland Ruanda zu eskalieren. Auch die Regionalmacht Südafrika ist dabei - nach insgesamt 14 getöteten Soldaten ihrer Friedenstruppe - immer mehr in den Konflikt hineingezogen zu werden. Die US-Botschaft, aber auch UN-Institutionen forderten am Montag ihnen zugeordnete Ausländer zum sofortigen Verlassen von Kinshasa auf - der mehr als 2600 Kilometer von Goma entfernten Hauptstadt der DR Kongo. Die US-Botschaft kündigte zugleich eine drastische Verringerung ihres Personals in Kinshasa an.
Hintergrund sind Drohungen der Rebellengruppe des 23. März (M23), ihre Offensive in die strategisch wichtige Nachbarstadt Bukavu, aber auch nach Kinshasa auszudehnen. Sie hatte Ende Januar nach heftigen Kämpfen mit hunderten Toten die wichtige Handelsmetropole Goma eingenommen, die unmittelbar an das Nachbarland Ruanda sowie den Kivu-See grenzt. Obwohl Ruandas Präsident Paul Kagame eine Intervention seiner Truppen in dem Konflikt bestreitet, gilt eine Unterstützung der M23-Rebellen sowie auch ein direktes militärisches Engagement ruandischer Soldaten in dem Konflikt nach Ansicht von Beobachtern und auch der Vereinten Nationen als gegeben.
"Ruanda macht im Kongo den Putin", titelte etwa der britische "Economist", und zog Parallelen zum Vorgehen des russischen Präsidenten, der in der Ukraine offiziell ethnische Minderheiten durch russische Unterstützung zu schützen vorgab. "Ruandas Diktator Paul Kagame hat diese Taktiken im Ost-Kongo kopiert; die M23-Rebellen wurden von seinem Regime bewaffnet, versorgt und befehligt", schrieb das Magazin, und sprach von einem unerklärten Krieg.
Die Regierung der DR Kongo zog daher nach dem Fall der Provinzhauptstadt Goma ihren Botschafter aus Ruanda ab und verwies den Spitzendiplomaten des Nachbarstaates des Landes. Neben martialischen Drohungen Richtung Ruandas Hauptstadt Kigali erhielten auch die von Ruanda gesponserten Fußballklubs Bayern München, Paris St.Germain und Arsenal Schreiben aus dem kongolesischen Außenministerium mit der Aufforderung, ihre Partnerschaft mit Ruanda einzustellen. Die Regierung in Kinshasa sprach von einer Kriegserklärung.
Der Kongo - reich an Rohstoffen aber seit Jahrzehnten politisch instabil
Der Konflikt schwelt vor dem Hintergrund ethnischer Spannungen bereits seit Jahrzehnten in einer der rohstoffreichsten Regionen der Welt, in der wichtige Edelmetalle - etwa Coltan für die Computerindustrie - von internationalen Unternehmen abgebaut werden. Viele davon wurden auch von ausländischen Söldnern geschützt. Die M23-Rebellen inszenierten nach dem Fall von Goma vor laufenden Kameras die Entwaffnung und Evakuierung von rund 280 rumänischen Söldnern, die in einen Stützpunkt der UN-Blauhelme geflohen waren.
Der langjährige Konflikt hat seine Wurzeln unter anderem in der kolonialen Grenzziehung, die das Volk der in der DR Kongo wie auch in Ruanda ansässigen Tutsis spaltete. Nach dem Genozid in Ruanda an mehr als 800 000 Tutsis und gemäßigten Angehörigen der Hutu-Ethnie im Jahre 1994 drängten die Truppen des heutigen Präsidenten Paul Kagame die verantwortlichen Hutu-Milizen über die Grenze in den Ostteil des DR Kongo, wo Dutzende bewaffneter Gruppen ihr Unwesen treiben. Die überwiegend aus Tutsis bestehenden M23-Rebellen gingen aus der 2004 gebildeten Vorgänger-Miliz CNDP hervor, die im März 2009 ein Friedensabkommen mit der kongolesischen Regierung geschlossen hatte. Es sah unter anderem eine Integrierung der Rebellen in die nationalen Streitkräfte vor, die nach deren Ansicht dann aber nie zustande kam.
Die Miliz hatte sich daher im April 2012 als M23 neu gebildet und nach einer zunächst auf politische Verhandlungen fokussierten Phase vor allem Ende vergangenen Jahres militärische Erfolge erzielt, nachdem die kongolesische Regierung fast zeitgleich den Abzug einer UN-Blauhelmtruppe angeordnet hatte. An ihrer Stelle hatte die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrikas (SADC) auf Bitten der DR Kongo die Entsendung von rund 5000 Soldaten zugesagt, die vornehmlich von Tansania, Malawi und Südafrika gestellt werden, das auch Geschäftsinteressen in der DR Kongo hat. Nach dem Tod von Soldaten seines Landes bei der Einnahme von Goma hatte eine kritische Äußerung des südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa diplomatische Verstimmung und eine harsche Reaktion seines ruandischen Amtskollegen Kagame ausgelöst.
Darin war auch von einer offenen Konfrontation die Rede, die Ruanda nicht scheuen würde. Präsident Ramaphosa forderte am Montag einen sofortigen Waffenstillstand als Voraussetzung für Friedensgespräche mit allen Beteiligten und meinte in einer Erklärung: "Seit 1996 hat der Konflikt in der DR Kongo zusammen mit den von ihm ausgelösten Krankheiten und Hunger Millionen Menschenleben gekostet. " Laut UN-Schätzungen gelten zudem sieben Millionen Kongolesen als heimatvertrieben. Ramaphosa betonte allerdings auch: "Wir haben als Land die Pflicht zur Unterstützung derjenigen Nationen Afrikas, deren Solidarität und materielle Unterstützung unsere Befreiung (von der Apartheid - Anm.d.Red.) abgesichert hat; Südafrika wird nicht nachlassen bei der Unterstützung der Menschen in der DR Kongo, damit sie die ihnen rechtmäßig zustehende Sicherheit und Frieden genießen können." Der Kap-Staat hat in diesem Jahr die Präsidentschaft der G20-Staatengruppe inne.