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Kulturdiplomatie mit Lexikon 

Fast ein Jahrhundertwerk: Neues Koreanisch-Deutsches Wörterbuch fertiggestellt
Autor:
Prof. Edeltrud Kim
/
August 8, 2024
July 14, 2024
So entsteht ein zweisprachiges Wörterbuch: Redaktionssitzung mit der Autorin Edeltrud Kim (Foto: Institut für Übersetzungsforschung zur deutschen und koreanischen Literatur)

Von Prof. Edeltrud Kim 

Kaum zu glauben: Die Germanistik hat in Korea eine lange Tradition. Sie ist rund acht Jahrzehnte alt. 1946, schon kurz nach der Befreiung von der japanischen Besatzung, sogar noch vor dem Koreakrieg, wurde die erste Abteilung an einer Universität in Seoul gegründet. Ihren Höhepunkt hatte die Begeisterung für Deutschland und seine Sprache in den Siebziger und Achtziger Jahren, als rund sechzig koreanische Universitäten Germanistik lehrten. In den koreanischen Gymnasien war Deutsch damals neben Französisch ein Wahl-Pflichtfach. 

Die Affinität hat mehrere Wurzeln. Sie stammt noch aus der japanischen Zeit, basiert auch auf der Liebe der Koreaner zur deutschen Musik – und hatte nicht zuletzt mit dem gemeinsamen Schicksal der Teilung zu tun. Eine Rolle spielten ebenfalls die Entsendung vieler koreanischer Krankenschwestern und Bergarbeiter nach Deutschland sowie die deutsche Entwicklungshilfe für das kriegszerstörte Korea. 

Trotzdem sollte es lange dauern, bis es ein brauchbares Sprachlexikon gab. Die koreanischen Germanisten sowie die deutschsprachigen Koreanisten klagten über veraltete Wörterbücher. Es fehlte ihnen ein gutes, modernes Wörterbuch für das Sprachenpaar Koreanisch-Deutsch.  

Endlich gibt es eines. Nach vielen Jahren Arbeit entstand das Seon Gwang Koreanisch-Deutsche Wörterbuch.  

Den Entschluss, das neue koreanisch-deutsche Wörterbuch erarbeiten zu lassen, hatte Prof. Dr. Kim Byong-Ock (1930-2015) gefasst. Der koreanische Germanist war Gründer des Instituts für Übersetzungsforschung zur deutschen und koreanischen Literatur in Seoul.  

Die konkreten Vorarbeiten begannen im Frühjahr 2006. Es sollte ein Internet-Wörterbuch werden, das auf der modernen koreanischen und deutschen Sprache beruht und so gestaltet ist, dass es sowohl für koreanische als auch für deutsche Muttersprachler gut benutzbar ist.  

Die elektronische Eingabemaske für die Wörterbuchartikel wurde nach Vorgaben des Redaktionskomitees von einem Team unter Leitung von Prof. Dr. Lee Kyu Chul, Fakultät für Computerwissenschaften an der Chungnam National University in Daejon, erstellt. 

Verfasser der Artikel sind promovierte Germanisten mit Koreanisch als Muttersprache. Sämtliche deutsche Übersetzungen wurden von deutschen Muttersprachlern mit Koreanisch-Kenntnissen redigiert. Eine Arbeitsgruppe war von 2007 bis 2012 damit beschäftigt. Nach Fertigstellung wurden die Texte von einer Redaktionsgruppe noch einmal sorgfältig überarbeitet. Seit Mai 2017 arbeiten alljährlich Koreanistik-Studenten der Tübinger Uni beim Praktikum während ihres Studienjahres in Korea als Proofreader beim Wörterbuchprojekt mit.  

Grundlage für die Auswahl der Stichworte, der sogenannten Lemmata, und für die erklärenden Angaben zu den einzelnen koreanischen Wörtern sind die Häufigkeitsliste und das Lexikon der koreanischen Standardsprache. Beide wurden vom Staatlichen Institut für die koreanische Sprache herausgegeben. Für die deutschen Übersetzungen ist der Duden verbindlich.  

Das Wörterbuch umfasst zurzeit knapp 7.000 Stichworte. Sie werden in den Wörterbucheinträgen durch ihre wichtigsten Komposita – also Wörter, die aus zwei Bestandteilen bestehen – ergänzt. Der Umfang des Wörterbuchs wird ständig erweitert.  

Es kann über die durchgängig zweisprachige Homepage des Instituts aufgerufen werden: www.kodetrans.or.kr. Dort erscheint jeder Artikel wie eine Buchseite. 

Wörterbuch mit Brückenfunktion

Am 1. Januar 2018 schloss das Institut einen Lizenzvertrag mit dem koreanischen Internetunternehmen Naver Corp. ab. Naver nahm das Werk in seine Wörterbuch-Plattform auf. Seit 27. November 2020 ist das Seon Gwang Koreanisch-Deutsche Wörterbuch vollständig über die Plattform von Naver benutzbar:

https://dict.naver.com/dekodict  

Warum das Wörterbuch Seon Gwang heißt?Seon Gwang istder Künstlername des Institutsgründers und Hobby-Kalligraphen. Er setzt sich aus den chinesischen Zeichen für "das Gute" und für "Glanz"oder "leuchten" zusammen. 

Das Institut, 1992 als universitätsübergreifende Stiftung gegründet, trug durch seine Internationalisierung wesentlich zur Entwicklung der Germanistik bei. In vielen Symposien schuf es enge Beziehungen unter den chinesischen, japanischen und koreanischen Germanisten und mit dendeutschsprachigen Ländern. Durch die Auseinandersetzung mit der fremden Literatur kann Korea seine eigene kulturelle Identität festigen und weiterentwickeln. Das neue Wörterbuch ist dafür sehr hilfreich. 

Edeltrud Kim, gebürtige Duisburgerin, ehemalige Lektorin des DAAD an der Seoul National University, emeritierte Professorin der Ewha-Frauen-Universität in Seoul, seit dem Tod des Institutsgründers (der auch ihr Ehemann war) Vorsitzende des Stiftungsrates. Sie trägt seit fast fünfzig Jahren zur Förderung der Übersetzungsforschung und des Kulturaustauschs zwischen Korea und Deutschland bei, wurde dafür ausgezeichnet und erhielt die Ehrenbürgerwürde der Hauptstadt Seoul.  

  

Author:
Prof. Edeltrud Kim
/
Jul 14, 2024 21:42