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Heusgen warnt vor Demokratiegefahr durch soziale Medien

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz über Elon Musk, Konflikte und Diplomatie
January 23, 2025
January 13, 2025
Quelle: diplo.news

Den wachsenden Einfluss der sozialen Medien auf die Politik hält der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), Christoph Heusgen, für eine gefährliche Entwicklung, gegen die noch immer nicht genug getan werde. „Wir müssen aufpassen, dass wir unsere Demokratie damit nicht aufs Spiel setzen – im Namen einer aus meiner Sicht sehr verkürzt dargestellten Meinungsfreiheit“, sagte Heusgen beim Korrespondenten-Café in Berlin am Montag. Der frühere außenpolitische Berater von Kanzlerin Angela Merkel bezog sich dabei insbesondere auf Versuche des Trump-Vertrauten Elon Musk, über seine Plattform X die Bundestagswahl im Februar zu beeinflussen.

Dass sich ein „amerikanischer Oligarch“ in dieser Weise einmische, habe es so womöglich noch nicht gegeben. Konflikte der Europäischen Union mit den USA zu diesem Thema seien neben anderen strittigen Themen wie Handel, Sicherheit und Klima vorprogrammiert. Der sogenannte Digital Services Act der EU fordert von großen Online-Plattformen Mechanismen zur Bekämpfung illegaler Inhalte. Meta hat jedoch gerade begonnen, in den USA auf Faktenchecking zu verzichten. „Statt der EU zu folgen gehen die USA in die umgekehrte Richtung“, sagte Heusgen. Und es werde schon jetzt großer Druck auf Europa ausgeübt, den Digital Services Act wieder einzukassieren.

Die transatlantischen Beziehungen nach der Übernahme der Präsidentschaft durch den Republikaner Donald Trump am 20. Januar gehören zu den Schwerpunkten der 61. Münchner Sicherheitskonferenz vom 14. bis 16. Februar. Er sei optimistisch, dass Vertreter der neuen US-Regierung sowie eine große Delegation des Kongresses aus Demokraten und Republikanern teilnähmen, so Heusgen. Der neue Vizepräsident J.D. Vance sowie der neue Außenminister Marco Rubio seien beide bereits als Senatoren bei der Sicherheitskonferenz dabei gewesen.

Darüberhinaus widmet sich die renommierte internationale Tagung der europäischen Sicherheit und der Rolle des „globalen Südens“. Ein Viertel der Teilnehmer kommt laut Heusgen inzwischen von dort. Die Entwicklungen in Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes werden ebenso diskutiert wie der Ukraine-Konflikt aber auch vergessene oder unbeachtete Konflikte wie der im Sudan, wo es mit elf Millionen Flüchtlingen laut MSC-Chef die „weltweit größte Krise“ gebe.  

Heusgen, der auch deutscher Botschafter bei den UN war, betonte, wie wichtig die UN-Charta als Grundlage außenpolitischen Handelns sei, aber dass es eine Erosion der internationalen Ordnung durch doppelte Standards gebe. Wenn man jetzt höre, dass der kommende US-Präsident sich zur Not auch militärisch Grönland und den Panamakanal  einverleiben wolle, frage man sich schon, ob er schon einmal etwas von der UN-Charta gehört habe. Im Ukraine-Russland-Konflikt schloss der frühere Diplomat den künftigen Einsatz einer  internationalen Friedenstruppe, auch eine UN-Mission, nicht aus.

 

Zur Rolle der Diplomatie angesichts der vielen schwelenden Krisen beschrieb Heusgen ein grundsätzliches Dilemma. Eine der großen Herausforderungen sei es, dass man darlegen müsse, wo sie wirklich funktioniert habe. „Wenn man Konflikte am Horizont sieht, bekommt man häufig die Mittel nicht, die man braucht, um etwas zu verändern, weil die Aufmerksamkeit der Politiker erst dann so richtig steigt, wenn es tatsächlich zu einem Konflikt kommt.“ Als Beispiel nannte Heusgen die deutschen Bemühungen um eine Resolution des UN-Sicherheitsrats, die die UN beauftragt hätte, sich mit potentiellen Auseinandersetzungen aufgrund von Wasserknappheit oder Migration durch Klimaveränderung zu befassen. Das sei an der ersten Trump-Administration gescheitert, die gesagt habe, es gebe keinen Klimawandel und daher auch keine Probleme. Und an Russland, das nicht wollte, dass dieser erweiterte Sicherheitsbegriff auf die Tagesordnung gelangte. Wichtig sei aber Konfliktprävention, mit der sich seit Generationen Diplomaten beschäftigten. „Diplomatie hat ja Augen und Ohren weltweit.“

Die nächste Sicherheitskonferenz in München wird die letzte unter Heusgen sein, ihm folgt der langjährige Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach.

Am Rande des korrespondenten.cafes sprach MSC-Chef Christoph Heusgen mit dem Diletta-Repräsentanten Trung To (li.) Foto: diplo.news

gd