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Grausame Zwangsrückführungen von nordkoreanischen Flüchtlingen

UN-Appell an China und andere Drittstaaten - Analyse von Prof. Dr. Seung Hyun Nam
Autor:
Prof. Dr. Seung Hyun Nam
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July 1, 2024
July 1, 2024
Hinter dieser Grenze ist die Menschenrechtslage alarmierend (Foto: Archiv)

Nordkoreanische Flüchtlinge, die zwangsweise in die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK, Nordkorea) zurückgeführt werden, sind schwersten Misshandlungen ausgesetzt: Folter, Zwangsarbeit, Verschwindenlassen, Unterernährung, sexuelle Gewalt gegenüber Frauen, harte Strafen bis hin zu Hinrichtungen als „Verräter“.

Der Appell der UNO richtet sich speziell an die Volksrepublik China. Nach Berichten von Geheimdiensten und Zivilgesellschaften habe China am 9. Oktober 2023 Hunderte von Nordkoreanern zwangsweise nach Nordkorea verbracht. Im vergangenen April wurden weitere Hunderte Menschen zurückgeführt.

Gleich zu Beginn ihrer Präsidentschaft im UN-Sicherheitsrat als nichtständiges Mitglied berief die Republik Korea eine Sitzung zum Thema Menschenrechte in Nordkorea ein. Die letzte Sitzung dazu hatte im August 2023 stattgefunden. Ziel der Zusammenkunft war es, die internationale Aufmerksamkeit auf die Menschenrechtssituation in Nordkorea zu lenken, insbesondere auf die Bedrohung für den Weltfrieden und die globale Sicherheit.

Zwangsarbeit finanziert Atomprogramm

Denn es gibt immer mehr Beweise, das das Regime Menschenrechtsverletzungen wie Zwangsarbeit im Ausland zur Finanzierung seines Atomprogramms nutzt. Demzufolge ist eine enge Verbindung zwischen der Denuklearisierungs- und der Menschenrechtsagenda zu erkennen.

Die Menschenrechtslage in Nordkorea steht seit langem auf der Tagesordnung des UN-Sicherheitsrates, seit die UN-Untersuchungskommission 2014 einen Bericht veröffentlichte, wonach die nordkoreanische Regierung für systematische und so schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sei, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen.

Auf Ersuchen der UN-Generalversammlung begann der Sicherheitsrat zunächst, das Thema jedes Jahr zu erörtern. Diese Praxis wurde gestoppt, als US-Präsident Donald Trump 2018 das Gipfeltreffen mit dem nordkoreanischen Führer Kim Jong-un einberief. Erst 2020 änderten die USA ihre Haltung wieder, sodass die Mitglieder die Diskussion wieder in den Sicherheitsrat zurückbrachten.

Druck auf China

Die Zwangsrückführung nordkoreanischer Flüchtlinge in die DVRK ist ein alarmierendes Problem, das China international unter Druck setzt. Die Zurückgeführten sind hohen Bestrafungen und schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Aus diesem Grund forderten der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, der österreichische Jurist Volker Türk, sowie Vertreter der USA und Großbritanniens im Sicherheitsrat alle Staaten auf, von der gewaltsamen Rückführung von Nordkoreanern abzusehen und ihnen den nötigen Schutz zu gewähren.

Auch die UN-Sonderberichterstatterin für die Menschenrechtslage in Nordkorea, die peruanische Juristin Elizabeth Salmón, forderte die Drittstaaten auf, die nordkoreanischen Flüchtlinge nicht in die DVRK auszuliefern. Sie sollten vielmehr den Grundsatz der Nichtzurückweisung beachten. Dieser Grundsatz ist im Völkerrecht verankert. Er verbietet die Rückführung von Flüchtlingen in ein Land, in dem ihnen Verfolgung und Verletzung fundamentaler Menschenrechte wie Folter und Misshandlungen drohen.

Die Sonderberichterstatterin hob besonders den Schutz weiblicher Flüchtlinge hervor, da viele von ihnen sexueller Gewalt ausgesetzt seien.

Auch der UN-Menschenrechtsrat, der unter der Leitung des tschechischen Diplomaten Václav Bálek die Menschenrechtslage weltweit beobachtet, befasste sich eingehend mit der Zwangsrückführung nordkoreanischer Flüchtlinge. Anlässlich der vierten allgemeinen regelmäßigen Überprüfung der Menschenrechtslage in China im vergangenen Januar forderte Südkorea zum ersten Mal mehr Schutz für nordkoreanische Flüchtlinge von China.

Unterschiedliche Interpretationen

China ist derzeit ebenfalls Mitglied im UN-Menschenrechtsrat, wurde aber nun aufgefordert, den Grundsatz der Nichtzurückweisung einzuhalten. Nach den Berichten von den jüngsten Hunderten Zwangsrückführungen richteten UN-Experten ein gemeinsames Schreiben an China, in dem sie ihre Besorgnis ausdrückten.

In seiner Antwort argumentierte China, dass es zwar den Grundsatz der Nichtzurückweisung als Vertragspartei der UN-Konvention von 1951 über die  Rechtsstellung von Flüchtlingen anerkenne, dieser Grundsatz aber nicht für diese Nordkoreaner gelte. Der Grundsatz gelte vielmehr nur für Flüchtlinge im Sinne der Konvention von 1951. China steht seit langem auf dem Standpunkt, dass nordkoreanische Flüchtlinge keine Flüchtlinge seien, die begründete Furcht hätten, aus politischen oder religiösen Gründen verfolgt zu werden. Daher seien sie als illegale Migranten zu betrachten, die nur aus wirtschaftlichen Gründen nach China gegangen seien.

Diese Argumentation wird in den Vereinten Nationen nicht anerkannt. Menschenrechtsexperten verwiesen darauf, dass die Anwendung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung nicht nur auf Flüchtlinge beschränkt sei, sondern für alle Personen gelte, solange es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass die Person bei ihrer unfreiwilligen Rückkehr schwere Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sei. Dieser Grundsatz finde sich auch in der Folterkonvention.

Hoffnung auf Haltungsänderung

Da China diesen Ansatz weiterhin nicht verfolgt, wird es sehr schwierig sein, nordkoreanischen Flüchtlingen wirksamen Schutz zu bieten. Zumindest sollte China versuchen, den Willen der Flüchtlinge zu respektieren, wenn es darum geht, ob sie sich für Südkorea oder ein anderes Drittland entscheiden, wo ihre Grundrechte geschützt werden.

Es besteht jedoch die Hoffnung, dass China seine Haltung überdenkt, da es sich seines weltweiten Ansehens und seiner Menschenrechtsbilanz immer stärker bewusst wird.

Prof. Dr. Seung Hyun Nam ist Völkerrechtler und lehrt an der Korea National Diplomatic Academy (KNDA) in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Die KNDA startete vor kurzem ein Dialogprojekt mit dem Klub der Auslandskorrespondenten in Seoul (Seoul Foreign Correspondents’ Club SFCC) als Forum für gegenseitige Kommunikation zum besseren Verständnis der südkoreanischen Außenpolitik, besonders in Fragen der Diplomatie und Sicherheit.

Author:
Prof. Dr. Seung Hyun Nam
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Jul 1, 2024 11:08