Die Debatte über diese Frage ist nicht neu, gewinnt jetzt jedoch angesichts der Bildung einer neuen Bundesregierung und der internationalen Turbulenzen wieder an Fahrt: Was hat die bisherige Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands eigentlich bewirkt, und sollte sie künftig nicht viel mehr nationalen Interessen dienen? Mittelkürzungen, die Integration in die Außenpolitik bis hin zur Auflösung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gehörten bisher zu den Vorschlägen, vor allem von der FDP und zuletzt von der AfD vorgebracht und von Sozialdemokraten und Grünen bislang abgelehnt. Eigenständige Entwicklungshilfeministerien gibt es in anderen EU-Staaten nicht.
Im Januar beflügelte auch Friedrich Merz, CDU-Chef und Bundeskanzler in spe, die Diskussion. Die Entwicklungskooperation müsse künftig „integraler Bestandteil einer von deutschen Interessen geleiteten Außenpolitik“ sein, sagte er in einer außenpolitischen Grundsatzrede bei der Körber-Stiftung in Berlin. Dazu zählte er die Unterbindung illegaler Migration und die Eindämmung von Korruption und Terrorismus. Finanzielle Hilfen werde es nur bei konstruktiver Zusammenarbeit geben. Die Europäische Union war 2023 mit rund 96 Milliarden Euro der größte Geber von globaler Entwicklungshilfe, Deutschland zahlte davon mit 34 Milliarden Euro den Löwenanteil. Nach der EU waren die USA der zweitgrößte Geber in der Welt mit rund 61 Milliarden Euro. US-Präsident Donald Trump stoppte jedoch gerade die Finanzierung der United States Agency for International Development (USAID), die mit Abstand die meisten Mittel der amerikanischen Entwicklungshilfe vergibt.
Der Hamburger Unternehmer Stefan Liebing und der Ökonom Andreas Freytag, Professor an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, bringen nun weitere Vorschläge zur Neugestaltung von Außen- und Entwicklungspolitik in die Debatte. Sie fordern die künftige Bundesregierung auf, die Interessen der deutschen Wirtschaft stärker in der Außenpolitik zu berücksichtigen und die Außenwirtschaftspolitik erheblich zu modernisieren. Ohne eine moderne Außenwirtschaftspolitik werde keine Erholung der deutschen Volkswirtschaft gelingen. Es müsse eine bessere Förderung von Projekten im Ausland geben, die von strategischem Interesse für Deutschland seien. Auch Vorhaben für den Mittelstand müssten mehr unterstützt, Unternehmen beispielsweise durch Vorfinanzierungen oder Markterschließungsprogramme zum Export befähigt werden. Besonders die politische Flankierung von Projekten in schwierigen Ländern mit Demokratiedefiziten sei wichtig, auch weil die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes oft Treiber von Rechtsstaat und Demokratie sei.
Laut Liebing und Freytag müssten die außenwirtschaftlichen Aktivitäten in Zukunft unbedingt besser koordiniert werden. Die mit wirtschaftlicher Zusammenarbeit befassten Abteilungen des BMZ sollten künftig im Wirtschaftsministerium gebündelt werden, eine solche Außenwirtschaftsstelle eng mit dem Auswärtigen Amt zusammenarbeiten, um die deutschen Botschaften stärker als Knotenpunkte deutscher Wirtschaftsnetzwerke im Ausland nutzen zu können. Als Koordinator soll ein Staatsminister für Außenwirtschaftsfragen fungieren. Mittel der Entwicklungszusammenarbeit müssten vermehrt zur Förderung deutscher Auslandsinvestitionen eingesetzt werden, insbesondere bei Infrastrukturinvestitionen in Entwicklungsländern, die sich potentiell positiv auf die Menschen vor Ort auswirkten. gd