Von Dietrich von Kyaw
Die Kunst der Diplomatie ist in Deutschland heute wieder gefragt, ob als „Public Diplomacy“, „Klima-“ oder „Friedens-Diplomatie“. Ihre Bedeutung verdeutlicht zugleich ihre Ambivalenz. Diplomatie hat Deutschlands internationalem Ansehen und seinen Interessen zu dienen. Es drohen ihr jedoch immer wieder Beeinflussungen durch Innen- und Parteienpolitik sowie erst recht in Wahlkampfzeiten.
Europa ist konfrontiert mit Krieg, mit dem Streben nach Dominanz von Groß- und Mittelmächten. Mit dieser „Rückkehr der Geschichte“ hat die Diplomatie umzugehen in einem Land, das sich gegen diese Entwicklung sträubt. Es hatte sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion bequem in einer „regelbasierten Weltordnung“ unter dem Schutzschirm der USA eingenistet. Das alles ist heute in Frage gestellt, erfordert schwierige Anpassungen.
Neubelebung von Diplomatie
Durch die Größe der internationalen Herausforderungen erfährt auch „Diplomatie“ eine Neubelebung. Für einen demokratischen Staat hat sie transparent zu sein. Im Zeitalter von Internet und Sozialen Medien ist das Verlangen nach Öffentlichkeit gewachsen, macht auch vor der Diplomatie nicht halt. Klassische Diplomatie, bestimmt von Vertraulichkeit, steht dazu in einem Spannungsverhältnis.
Um auf der Höhe der Zeit zu sein, hat sich das Auswärtige Amt zur „Public Diplomacy“ bekannt. Während Bundesaußenministerin Baerbock medienwirksam Konfliktorte bereist, sollen auch ihre Diplomaten als „öffentliche Personen“ in Gastländern verstärkt die Medien pflegen. Das ist modern, jedoch komplexer, als es klingt, nicht zuletzt wegen einer stark werteorientierten, belehrenden und an Wunschdenken statt an Interessen und der Realität ausgerichteten deutschen Außenpolitik. In der letzten Bundesregierung gab es auch noch zu viele einander widersprechende Zielkonflikte zwischen den Koalitionspartnern, u.a. mit der Folge häufiger deutscher Stimm-enthaltungen („German vote“) in der EU.
Alibifunktion
Zugleich kommt „Public Diplomacy“ in der EU eine Alibifunktion zu. Die Außenminister und -ämter der Mitgliedsstaaten haben damit zu leben, dass durch europäische Verträge der Europäische Rat den Ministerräten übergeordnet wurde. Die Staats- und Regierungschefs erstrecken nun ihre Richtlinienkompetenz in der Europapolitik auch auf die „Gemeinsame“ Außenpolitik.
Die Wirksamkeit jeder Öffentlichkeitsarbeit ist abhängig von der konkreten Umsetzung dessen, was man vermittelt. Dabei gibt es immer wieder Fehlschläge wie etwa das heute sehr fehlende Freihandelsabkommen mit den USA, gescheitert an einer durch ein Bündnis zwischen Agrarprotektionisten und Umweltschützern einseitig sensibilisierten Öffentlichkeit („Chlorhühnchen“). Ähnlich wirksam war dieses Bündnis bislang bei der Verhinderung des Mercosur-Freihandelsabkommens mit Lateinamerika. Und ist deutschen Interessen wirklich gedient, wenn ein Bundeskanzler einerseits mit Putin telefoniert und andererseits den künftigen US-Präsidenten wegen dessen fragwürdigen Äußerungen zu Grönland kritisiert?
„Friedensdiplomatie“ ohne Realitätsbezug
Auch „Friedensdiplomatie“ ohne hinreichenden Bezug zur Realität droht Scheitern. Es geht um schwierige Abwägungsfragen wie die des Verhältnisses von Freiheit und territorialer Integrität zur Friedensbewahrung, von Gesinnungs- zu Verantwortungsethik. Sich von naiv-gutwilligen Pazifisten und Wahlkampfinteressen bestimmen zu lassen, zwischen Putin und Trump oder Israel und Arabern ohne ausreichende eigene Machtmittel und Abstimmung mit Brüssel zu navigieren, wird für die europäische Zentralmacht Deutschland nicht folgenlos und straffrei bleiben, wird nicht nur mit mehr Geld auszugleichen sein.
Zu erfolgreichem Wirken benötigt deutsche Diplomatie eine inhaltlich überzeugende, an Interessen und der Wirklichkeit ausgerichtete Außen- wie Sicherheitspolitik. Hinter dieser muss das Gewicht eines mit der EU und den USA durch die NATO verbundenen wirtschaftlich starken und zur Führung bereiten Landes stehen. Die künftige Bundesregierung wird viel zu tun haben!