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Diplomaten warnen vor einem politischen Vakuum in Deutschland

Die Botschafter Polens und der Ukraine hoffen auf eine schnelle Regierungsbildung und mehr Führungsstärke Deutschlands
February 26, 2025
February 24, 2025

Ein historisches korrespondenten.cafe in der neuen Polnischen Botschaft Unter den Linden: Die Botschafter von Polen und der Ukraine, Jan Tombinski (li.) und Oleksii Makeiev (m), kommentierten nicht nur das Ergebnis der Bundestagswahl, sondern befassten sich auch mit dem Stichtag 24. Februar, dem dritten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine. 140 Teilnehmer waren gekommen, viele stellten Fragen, moderiert von Ewald König (re.) Foto: Gülfem Dodur, diplo.news

Die Botschafter Polens und der Ukraine, Jan Tombinski und Oleksii Makeiev, hoffen darauf, dass in Deutschland so schnell wie möglich eine handlungsfähige Regierung gebildet wird, die Entscheidungen über Sicherheitsfragen treffen kann. „Es ist wichtig, dass das Vakuum nicht zu lange dauert“, sagte Tombinski am Montag in der neuen polnischen Botschaft in Berlin auf dem Prachtboulevard Unter den Linden. Angesichts des größten Krieges in Europa seit 1945 müsse der Kontinent mehr Autonomie in Verteidigung und Rüstung gewinnen. „Und ohne Deutschland wird das schwierig.“ Makeiev betonte, Deutschland sei der wichtigste Partner der Ukraine in Europa, er hoffe auf eine Führungsfunktion Deutschlands. Signale der Union, die als stärkste Partei bei der Bundestagswahl (28,5 %) hervorging und mit Friedrich Merz aller Voraussicht nach den nächsten Bundeskanzler stellen wird, nannte Makeiev „zukunftsorientiert“. „Wir sind zuversichtlich, dass wir auch in der Übergangszeit nicht alleine gelassen werden. Wir haben keine Zeit, jede Minute des Zögerns kostet Menschenleben.“ Beide Botschafter hatten anlässlich des dritten Jahrestages des russischen Überfalls auf die Ukraine gemeinsam eine Einladung des korrespondenten.café angenommen.

Quelle: diplo.news

Oleksii Makeiev, Botschafter der Ukraine

Die derzeitige EU-Ratspräsidentschaft wolle Polen nutzen, so Tombinski, um die Anbindung der Ukraine an die EU auch im Hinblick auf Beitrittsverhandlungen zu stärken. „Die Schwäche von uns Demokraten ist, dass wir oft mehr sagen und ankündigen als tun.“ Es müsse nun auf Russland soviel wirtschaftlicher Druck ausgeübt werden wie möglich, damit es sich den Krieg nicht mehr leisten könne. Mit Blick auf die Aussage des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, die Ukraine habe den Krieg begonnen, mahnte der polnische Botschafter, der  während der Majdan-Proteste 2013/2014 EU-Repräsentant in Kiew war,  man müsse immer im Auge behalten, wer Opfer und wer Aggressor sei. Tatsachen zu negieren, nannte er moralische Korruption. Makeiev betonte, eine Täter-Opfer-Umkehr sei ein Zeichen von „wahnsinniger Schwäche“. Mit Russland könne man nur aus einer Position der Stärke verhandeln und nicht etwa schon vor Verhandlungen rote Linien ziehen – wie zum Beispiel auf eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine zu verzichten oder die Ukraine alleine den Preis für den Frieden zahlen zulassen.

Jan Tombinski, Botschafter Polens

Polnische Politiker versuchten gerade in Washington zu erklären, so Tombinski, welche Fehler man bei Verhandlungen mit Russland nicht machen sollte. Dessen Methode sei es, möglichst alle Seiten am Tisch kontrollieren zu wollen. Beide Diplomaten waren sich einig, dass Europa und die Ukraine bei den Friedensverhandlungen, die Washington und Moskau gerade aufgenommen haben, dabei sein müssen. „Wenn das unser Krieg ist, wie uns die Amerikaner ja gesagt haben, dann müssen wir auch mit am Tisch sitzen“, so Makeiev. Mit welchen Mitteln die Europäer die Teilhabe allerdings erreichen könnten – auf diese Frage blieben beide eine Antwort schuldig.

Immer wieder Zerstörung in der Ukraine (Quelle: Media Center Ukraine, Yuri Bershadsky)

Nach Meinung Makeievs sollte sein Land im übrigen eine Lehre aus der Bundestagswahl und dem hohen Wahlerfolg der pro-russischen AfD ziehen. Dass fast der gesamte Osten Deutschlands blau (Parteifarbe der AfD) gewählt habe, beunruhige die Ukrainer. „Daraus müssen wir unsere Lehren ziehen, wenn wir unsere  Gebiete in der Ukraine (von Russland) befreien, damit dort nicht auch noch nach 30 Jahren blau gewählt wird.“ gd