Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck hat afrikanische Staaten zu mehr Zusammenarbeit ermuntert und vor allem für mehr gemeinsame Energieprojekte geworben. Der grüne Wirtschaftsminister nahm am fünften deutsch-afrikanischen Wirtschaftsgipfel in Kenia teil. Konkrete Vereinbarungen gab es aber nicht. "Es wird leider nicht ausreichen, immer wieder an die deutsche Wirtschaft zu appellieren und auf "das große Potential" Afrikas hinzuweisen", sagt der Unternehmer und Afrikakenner Stefan Liebing. Er schlägt - gemeinsam mit dem Wirtschaftsinformatiker Thomas Schmidt - vor, was sich an der deutschen Wirtschaftspolitik ändern müsste, um Investitionen in Afrika zu befördern und China dort Paroli bieten zu können.
Rund die Hälfte des deutschen BIP wird durch Export erwirtschaftet. In einer Zeit wachsender globaler Konflikte und schwächelnder Konjunktur muss Deutschland sich nach neuen Absatzmärkten und Partnerschaften umsehen, aber auch nach Lieferanten grüner Energie und wichtiger Rohstoffe. Das erfordert jedoch eine genauere Analyse der Verhältnisse vor Ort und eine Adaptierung der bislang verwendeten Ansätze, Geschäftsmodelle und Narrative. Das nachfolgende Kurzpapier soll einige Aspekte hierzu anreißen und Lösungsansätze aufzeigen.
1. Die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen
Die Volkswirtschaften auf dem afrikanischen Kontinent wurden seit 2020 von mehreren Krisen hart getroffen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen politischer Entscheidungen als Reaktion auf die Corona-Pandemie waren noch nicht vollständig überwunden, als mit der daraus erwachsenden Inflation vor allem die ärmere Bevölkerung zusätzlich belastet wurde. Die Knappheit bestimmter Lebensmittel an den Weltmärkten nicht zuletzt alsFolge des russischen Angriffs auf die Ukraine und teilweise auch negative Wetterereignisse als Auswirkung des Klimawandels haben hunderte Millionen Menschen beeinträchtigt.
Dies hat dazu geführt, dass vor allem Staatsfinanzen in den meisten Ländern Afrikas instabiler wurden. Verschuldungsraten der staatlichen Haushalte sind stark gestiegen. Der erschwerte Zugang zu weiteren Krediten und verschlechterte Ratings haben gemeinsam mit der starken Inflation zu sehr hohen Zentralbankzinssätzen geführt. Regierungen mussten Subventionen streichen und ihre Haushalte sanieren.
Die Verbindung einer generell verschlechterten Lage für die Menschen mit der geschwächten Leistungsfähigkeit vieler Regierungen hat zu hoher Unzufriedenheit geführt, die in den vergangenen Jahren eine Reihe von Umstürzen ausgelöst haben. Auch wenn die individuellen Auslöser höchst unterschiedlich sind, so ist doch die schwierige wirtschaftliche Lage allen Ländern gemeinsam. Erzwungene Regierungswechsel gab es u.a. in Gabon, Guinea, Mali, Burkina Faso, Niger. Im Sudan herrscht ein grausamer Bürgerkrieg. In Ländern wie Kenia und Nigeria ist die junge Bevölkerung unzufrieden mit der wirtschaftlichen Entwicklung und demonstriert. Ghana hat eben erst einen Staatsbankrott abgewendet durch einen der größten Schuldenerlasse der Geschichte.
Ambivalent stellt sich das Bild bei einem Blick auf die Entwicklung des GDP per Capita dar. Nur einigen wenigen Staaten ist es gelungen, seit der Corona-Krise moderate Steigerungen zu erzielen. Die großen Wirtschaftsnationen Südafrika, Angola und Nigeria mussten einen Rückgang verzeichnen, während Sambia, Kamerun und Tansania stagnierend etwa auf Vorkrisenniveau liegen. Länder wie Ruanda, Kenia, Ghana, DR Kongo oder die Elfenbeinküste konnten jedoch auch moderate Steigerungen erreichen. Gemeinsam ist allen Ländern jedoch, dass die Steigerungen zu gering ausfallen, um eine spürbare Verbesserung des Wohlstandsniveaus in der Bevölkerung zu bewirken. So ist bei einem gemischten Bild zum GDP pro Kopf festzuhalten, dass insgesamt durch die Mischung aus starker Inflation und Staatsverschuldung und weitgehend stagnierender wirtschaftlicher Wertschöpfung von einer spürbaren Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Menschen auf dem Kontinent keine Rede sein kann.
Anders stellt sich die Situation im Hinblick auf die bilateralen Handelsvolumen dar. Der kumulierte Im- und Export hat sich erholt und liegt nun auf Rekordniveau. Gestiegen sind vor allem deutsche Exporte nach Afrika, und hier wurde die Steigerung fast vollständig durch inflationsbedingt gestiegene Preise für die Hauptausfuhrprodukte Maschinen, Anlagen, Fahrzeuge, Chemieprodukte ausgelöst. Importe Deutschlands aus Afrika sind dagegen im Jahr 2023 um knapp 5 Prozent gesunken, was vor allem an gefallenen Preisen für Rohstoffe liegt. Unabhängig davon liegt das gesamte Handelsvolumen mit Afrika niedriger als der Wert der Handelsbeziehungen, die Deutschland mit Ungarn unterhält.
Vorgeschlagene Maßnahmen:
2. Funktionierende Geschäftsmodelle unter neuen Voraussetzungen
Unter erschwerten konjunkturellen und fiskalischen Rahmenbedingungen verengen sich die Möglichkeiten für geschäftliches Engagement in Afrika derzeit. Insbesondere erschwert die aktuelle Lage die Realisierung von Infrastrukturprojekten unter Beteiligung von afrikanischen Regierungen. Gerade auf diesem Gebiet waren deutsche Unternehmen bislang stark engagiert. Projekte auf den Gebieten erneuerbare Energie, Logistik (Häfen, Flughäfen, Mautstraßen, Schnellbussysteme), Stromnetze, Tanklager etc. sind wegen der stark gesunkenen Finanzierungsspielräume von Regierungen und Staatsunternehmen aktuell kaum realisierbar. Investitionen in rein private Unternehmungen etwa auf den Gebieten Landwirtschaft oder Industrie, die u.U. nicht auf Projektfinanzierungsstrukturen angewiesen sind, waren schon bisher eher rar. Das hat weniger mit fehlenden Möglichkeiten in Afrika zu tun als mit den Branchenschwerpunkten der deutschen Wirtschaft und ihrer mittelständischen Struktur. Einigermaßen aussichtsreich sind aktuell vor allem Investitionen in folgenden Bereichen:
Privatsektor:
Öffentlicher Sektor:
Vorgeschlagene Maßnahmen:
3. Projektentwicklung statt Entwicklungsprojekte – für einen neuen politischen Ansatz
Die oben beschriebenen Entwicklungen zeigen, dass Wirtschaftswachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und damit Entwicklung des afrikanischen Kontinents nicht mit den bisherigen Instrumenten traditioneller Entwicklungshilfe zu erreichen ist. Unter neuen Rahmenbedingungen und in einem schwierigeren Umfeld als zuvor ist es vor allem notwendig, die Finanzierung privater Investitionen zu ermöglichen. Wo ein Projekt im entwicklungspolitischen Interesse liegt, scheint es notwendig, dass die öffentliche Hand bestimmte Risiken abfedert, die andernfalls verhindern würden, dass eine Finanzierung auf privater Ebene überhaupt zustande kommen kann. Das bedeutet, dass die öffentliche Hand statt der Umsetzung traditioneller – und oftmals weitgehend wirkungsloser – Entwicklungsprojekte die Realisierung von Projektentwicklungen ermöglichen sollte. Dazu gehört neben der stark zu intensivierenden politischen Begleitung von konkreten Projektentwicklungsvorhaben auch die Bereitstellung von Mitteln zur Projektentwicklung, die Reduktion bürokratischer Hindernisse wie etwa des Lieferkettengesetzes, die Unterstützung bei der Finanzierung und die aktive Werbung für eine Diversifizierung Richtung neuer Märkte in Afrika.
Fazit:
Prof. Dr. Stefan Liebing ist Geschäftsführer der Conjuncta GmbH und als Honorarprofessor am Centre for Business and Technology in Africa der Hochschule Flensburg tätig. Er war von 2011 bis 2023 Vorsitzender des Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft e.V. und 2014/2015 auch Chairman des European Business Council on Africa and the Mediterranean (EBCAM). Im Sommersemester 2025 wird Liebing die Hiob-Ludolf-Gastprofessur an der Universität Hamburg übernehmen. Er ist ehrenamtlich engagiert als Beiratsvorsitzender der ReThinking Africa Foundation und als Honorarkonsul der Republik Kamerun in Hamburg.
Prof. Dr. Thomas Schmidt ist Co-Direktor des Centre for Business and Technology in Africa und Professor in Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Flensburg mit Schwerpunkt betriebliche Anwendungssysteme. Er berät Unternehmen zu Strategie- und Umsetzungsprojekten in Informationstechnologie und Logistik. Schmidt hat langjährige Erfahrung in Afrika mit Projekten zu Universitätspartnerschaften mit Technologietransfer in Logistik und Informationstechnologie. Zusätzlich zu seiner afrikanischen Expertise lehrte und forschte er als Gastprofessor in den USA, Schweden, Finnland, Frankreich und China.