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COP-Weltklimakonferenzen: Wanderzirkus für Umweltschutz und Klimapolitik

Ein Plädoyer für ständigen Sitz statt Rotationsprinzip
Autor:
Günther Unser
/
October 28, 2024
June 5, 2024
Aserbaidschan ist Schauplatz der nächsten Weltklimakonferenz

In dem auf der Rio-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 unterzeichneten und 1994 in Kraft getretenen „Rahmenabkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen“ verpflichtete sich die Staatengemeinschaft erstmals vertraglich zum gemeinsamen Handeln gegen den Klimawandel und seine Folgen. Zur Fortentwicklung dieser Konvention und zur Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtungen wurde eine jährlich stattfindende UN-Konferenz der Vertragsparteien – inzwischen 198 – vereinbart: Vertragsstaatenkonferenz— Conference of the Parties – COP, auch Weltklimakonferenz genannt.

Angela Merkels Einfluss auf die COP-Weltklimakonferenzen

Für Berlin als Austragungsort der ersten UN-Vertragsstaatenkonferenz setzte sich vor allem die damalige deutsche Umweltministerin Angela Merkel ein, so dass 1995 unter ihrer Leitung COP 1 in Berlin stattfand. Beschlossen wurde auch die Einrichtung eines ständigen Sekretariats für die Vorbereitung und Durchführung der Weltklimakonferenzen – das „Klimasekretariat der Vereinten Nationen“ mit Sitz in Bonn.

Konkurrenzkampf bei der Wahl der COP-Konferenzorte

Da für die Staaten die Durchführung einer internationalen Konferenz ein Prestigeprojekt darstellt, insbesondere für die Regierenden, geht der Festlegung eines Tagungsortes meist ein Konkurrenzkampf zwischen den interessierten Staaten voraus, der oft mit fragwürdigen Mitteln geführt wird.

Das Rotationsprinzip der COP-Weltklimakonferenzen

Für die alljährlich anstehenden UN-Klimakonferenzen wurde deshalb folgendes Verfahren vereinbart: Die Austragungsorte rotieren zwischen den Staaten der von den Vereinten Nationen zu Zeiten des Kalten Krieges festgelegten fünf Regionalgruppen: afrikanische, asiatisch-pazifische, lateinamerikanisch-karibische, osteuropäische, westeuropäisch-nordamerikanisch-australische Gruppe.

Bonn als wiederholter Gastgeber

Gemäß dieses vereinbarten Abfolgemodells fanden inzwischen in unterschiedlichen Ländern (allerdings zweimal in Bonn) 28 jeweils zweiwöchige UN-Klimakonferenzen statt. Zuletzt wurde die COP 28 vom 30. November bis 13. Dezember 2023 in Dubai, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, einem Land der asiatischen Regionalgruppe, ausgerichtet.

Konflikte bei der Wahl der COP-Konferenzorte

Auch innerhalb der Regionalgruppen war die Bestimmung des Konferenzortes in der Vergangenheit nicht immer konfliktfrei. Da sich die Staaten der jeweiligen Gruppe einstimmig auf das Auftragungsland verständigen müssen, erschwerten bei der Bewerbung mehrerer Länder oftmals die rivalisierenden internationalen Verhaltensmuster eine Einigung.

Die Blockade der COP 29 im Jahr 2024

Geradezu beispielhaft, wie auch internationale Entwicklungen die Entscheidungsfindung beeinflussen, waren die gruppeninternen Auseinandersetzungen über den Tagungsort der COP 29 im Jahr 2024, der auf dem Klimagipfel in Dubai festgeschrieben werden musste. Die Entscheidung über das nächste Ausrichterland war in der nach dem Rotationsprinzip zuständigen Regionalgruppe Osteuropa monatelang blockiert.

Konflikte um die COP 29 im Jahr 2024

Schon frühzeitig hatte sich Tschechien als Gastgeber gemeldet, danach bewarb sich Bulgarien, doch das größte Land der Gruppe - Russland - wollte verhindern, dass ein EU-Land COP 29 ausrichtet, und legte sein Veto ein. Nunmehr konkurrierten die verfeindeten Nachbarländer Armenien und Aserbaidschan, bis schließlich Armenien seine Bewerbung zurückzog und Aserbaidschan den Zuschlag erhielt: Die 29. UN-Klimakonferenz wird somit vom 11. bis 24. November 2024 in Baku/Aserbaidschan stattfinden – wiederum in einem Land, das seinen Wohlstand den Klimakillern Öl und Gas verdankt!

Brasilien als Gastgeber der COP 30 im Jahr 2025

Die lateinamerikanisch-karibische Regionalgruppe hat sich hingegen schon frühzeitig auf Brasilien als Gastgeberland der COP 30 im November 2025 geeinigt.

Die bescheidene Bilanz der COP-Weltklimakonferenzen

Bis hierher war nur von der schwierigen Einigung auf die jeweiligen Verhandlungsorte die Rede. Wie sehen die Ergebnisse aus? Gemessen an der 1994, also vor dreißig Jahren, in der UN-Rahmenkonvention eingegangenen Verpflichtung der Staatengemeinschaft zum effektiven HANDELN gegen den Klimawandel fällt die Bilanz des nach 29 Konferenzen  substanziell Erreichten recht bescheiden aus.

Das wegweisende Pariser Abkommen der COP 21

Zweifellos klimapolitisch wegweisend war das Ergebnis die Pariser UN-Klimakonferenz COP 21 im Jahr 2015, auf der das Pariser Klimaschutzabkommen erarbeitet und schließlich verabschiedet wurde – mit der bemerkenswerten Verpflichtung der Staaten, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen – es trat 2016 in Kraft.

Herausforderungen bei der Umsetzung des Pariser Abkommens

Doch das grundsätzliche Problem dieser wie vieler anderer internationalen Großkonferenzen ist die Umsetzung der operativen Zielsetzungen. Mit Blick auf die Vorgaben des Pariser Abkommens wurden die Hauptverursacher des Klimawandels, die fossilen Energien, erst auf dem 28. Klimagipfeltreffen in Dubai (2023) ins Visier genommen: Auf ein klares Aus konnten sich die nunmehr 198 Länderdelegationen nach nächtelangen Verhandlungen nicht einigen. In der einstimmig zu verabschiedenden Abschlusserklärung wird lediglich zur „Abkehr“ von den fossilen Energieträgern, d.h. Kohle, Gas und Erdöl, aufgerufen.

Langsame Fortschritte und Formelkompromisse bei den COP-Konferenzen

Es liegt in der Natur der Sache, dass die für fast alle UN-Großkonferenzen geltende Einstimmigkeitsklausel dazu zwingt, sich auf Kompromisse zu verständigen. Die Ergebnisse der Klimakonferenzen sind also in ihrer Substanz stets Formelkompromisse - auf der Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners. Die Folge: Klimapolitischen Fortschritte, vor allem in ihrer konkreten Umsetzung, bewegen sich allenfalls im Schneckentempo.

Die COP-Konferenzen als globaler Wanderzirkus

Nach dieser mageren Bilanz stellt sich naturgemäß die Frage nach der Sinnhaftigkeit, nach Aufwand und Ertrag dieser gigantischen Zusammenkünfte, veranstaltet, um die Erderwärmung im Rahmen eines Konferenzmarathons zu bremsen. Vor allem der Aufwand ist inzwischen beträchtlich: 28 UN-Konferenzen an den verschiedensten Orten dieser Welt, eine Art globaler Wanderzirkus mit immer demselben Programm.

Die steigenden Teilnehmerzahlen der COP-Konferenzen

Die Veranstaltungsdimensionen wurden vor allem neuerdings hinsichtlich der Teilnehmerzahlen immer gigantischer. Betrug deren Anzahl auf der COP 23 in Bonn im Jahr 2017 noch rund 23.000 Personen und 2021 in Glasgow (COP 21) nahezu 40.000, so explodierte die Zahl der Regierungsvertreter, der NGOs, der Klimaorganisationen und Klimaaktivisten, der Lobbyisten und Journalisten in Dubai 2023: Es kamen annähernd 100.000. Mehr als die Hälfte waren Regierungsmitglieder!

Die überdimensionierte COP-Konferenz in Dubai 2023

Allein die deutsche Delegation bestand aus mehr als 250 Regierungsmitarbeitern, 60 von ihnen aus dem Auswärtigen Amt. Auf Grund der geografischen Lage des Veranstalterlandes erfolgte die An- und Abreise der klimaengagierten Heerschar mit einer gewaltigen, das Klima schwer belastenden Flugzeugflotte – Fahrräder und Segelbote dienen nur zu Hause dem Umweltschutz! Das durch ein solch überdimensioniertes Konferenzgeschehen, dessen Intention es ist, das Klima zu retten, verursachte gewaltige Ausmaß der Klima- und Umweltschäden wird von den Beteiligten gern totgeschwiegen oder nach dem zynisch anmutenden Motto gerechtfertigt: Für eine große Sache muss man Kollateralschäden halt in Kauf nehmen.

Die undurchsichtige Finanzierung der COP-Weltklimakonferenzen

Wenig transparent ist auch die Finanzierung dieser zweiwöchigen Massenveranstaltungen. Die Ausrichtung liegt zwar in Händen der Weltorganisation, aber die Hauptlast der Kosten trägt das jeweilige Gastgeberland. Hinsichtlich des jeweils tatsächlichen finanziellen Gesamtaufwandes gibt es nur Spekulationen über die Größenordnung der Millionen US-Dollar.

Bei aller Kritik an den UN-Klimakonferenzen sollten jedoch die politische Notwendigkeit und der klimapolitische Leuchtturmcharakter des Zusammentreffens der Staatengemeinschaft nicht außer Acht gelassen werden. Wie anders könnten weltweit postulierte Klimaziele weiterentwickelt und periodisch auf ihre globale Umsetzung überprüft – und die Weltbevölkerung für die Dringlichkeit des Klimaschutzes wachgerüttelt und sensibilisiert werden?

Vorschläge für alternative Formate der COP-Konferenzen

Und wie sehen diese Großveranstaltungen aus? Nochmal: Mehr als fragwürdig und reformbedürftig ist das praktizierte Konferenzformat, wobei zwei Aspekte kritisch zu hinterfragen sind:

  1. der jährliche Zyklus der Konferenzen mit inzwischen rapide gestiegenen Teilnehmerzahlen
  2. die jährlich wechselnden Austragungsorte

Der jährliche Tagungsrhythmus ist in der UN-Rahmenkonvention festgeschrieben, Änderungen der Abfolge sind somit unrealistisch. Regierungskonferenzen wie diese können auch nicht (mehr) hinter verschlossenen Türen durchgeführt werden.

Vorschläge zur Reduzierung der Regierungsdelegationen bei den COP-Konferenzen

Die hohe Anzahl der Beteiligten an den jeweils zweiwöchigen Klima-Events ist nicht durch das klimapolitische Engagement aller Interessierten zu rechtfertigen, geradezu absurd sind die damit verbundenen klima- und umweltschädlichen Begleiterscheinungen. Eine Einschränkung der Teilnahmemöglichkeit ist allerdings vor dem Hintergrund der Transparenzforderungen ein schwieriges Unterfangen. Aber entsprechendes Zeichen könnten viele der Vertragsstaaten – somit auch Deutschland – setzen, indem sie ihre oftmals überdimensionierten Regierungsdelegationen zahlenmäßig reduzieren.

Zahl der Klimaaktivisten an den COP-Konferenzen

Nichtstaatliche Klimaaktivisten können zwar nicht rechtsverbindlich von einer Teilnahme ausgeschlossen oder ihre Zahl beschränkt werden, aber bei deren Akkreditierung könnte man die Latte entscheidend höher legen. Laute, eindringliche Appelle im Vorfeld der Konferenzen, das eigene Umweltverhalten auf den Prüfstand zu stellen und auf eine umweltbelastende Reise zu verzichten, würden  vielleicht zu einer Verhaltensänderung führen.

Debatte über einen ständigen Sitz

Hauptkritikpunkte an dem Konferenzgeschehen aber sind der Wanderzirkus, d.h. der jährlich weltweit wechselnde Tagungsort – und die dadurch bedingten jeweiligen Infrastrukturmaßnahmen. Naheliegend und dringlich ist deshalb die Forderung, einen ständigen Konferenzen-Sitz zu vereinbaren. Doch welche Alternativen bieten sich an?

New York als möglicher ständiger Sitz der COP-Konferenzen

Da es sich um eine Konferenz der Vereinten Nationen handelt, wäre es naheliegend, auf New York zurückzugreifen. Hier befindet sich der Hauptsitz der Weltorganisation, hier sind die Staaten bereits mit einem diplomatischen Apparat vertreten, der Konferenzaufwand wäre also kleiner. Zudem ist Klimaschutz – oft vergessen – eine der politischen UN-Aufgabenprioritäten. Doch der Ruf nach New York scheint zu verhallen, dort finden zwar unzählige UN-Konferenzen statt, aber eine entsprechende Initiative zur Ansiedlung der Klimakonferenz wurde bisher von keiner Seite lanciert.

Nairobi als möglicher ständiger Sitz

Lokale Alternative, thematisch noch naheliegender, ist das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) an einem der vier Amtssitze der UN in Nairobi, Kenia. UNEP ist die Koordinationsstelle und der Katalysator der UN-Umweltaktivitäten. Im Februar/März 2024 fand dort die sechste UN-Umweltversammlung (UNEA-6) mit 7.000 Delegierten aus 190 Ländern statt. Warum also nicht immer nach Nairobi?

Paris als möglicher ständiger Sitz

Und noch eine thematisch bedingte Alternative für einen ständigen Tagungsort bietet sich an: Paris. Vor dem Hintergrund der umweltpolitischen Bedeutung des Pariser Klimaabkommens – das für alle Staaten verbindliche Übereinkommen, die Erderwärmung zu begrenzen – wäre die französische Hauptstadt der geeignete Ort, die Fortschritte jährlich zu überprüfen. Zur Erinnerung: Die Konvention wurde dort von der 21. UN-Klimakonferenz (COP 21) verabschiedet und als großer Erfolg gefeiert.

Alternativen zum Rotationsprinzip

Eine Option, den Tagungsort nicht nach dem Rotationsprinzip festzulegen, ist eine Verfahrensregelung, die bei der Bestimmung des Austragungslandes der COP 29 im Jahr 2024 beinahe zur Anwendung gelangt wäre. Da heißt es nämlich: Kommt es innerhalb der zuständigen Regionalgruppe nicht zu einer Einigung über das Austragungsland (und die Gefahr bestand im Dezember 2023), so findet die nächste UN-Klimakonferenz in dem Land statt, in dem sich das UN-Klimasekretariat befindet, also in Deutschland.

Schon einmal, 2017, als die Fidschi Inseln die COP 23 ausrichten wollten, dann aber zurückzogen, musste Bonn einspringen und baute für die 23.000 Teilnehmer eine Zeltstadt auf. Die Vorstellung, Bonn hätte jetzt für die Austragung der Konferenz 2024 einspringen und ein globales Massenevent organisieren müssen, ist allerdings ein umweltpolitischer Albtraum.

Ernüchterndes Fazit der COP-Weltklimakonferenzen

Änderungen am Konferenzformat bieten sich an, auch thematisch, doch die traurige Wahrheit ist: Realistische Chancen für eine Abkehr von Rotationsprinzip und Großveranstaltung bestehen derzeit nicht. Für die überwiegende Mehrheit der Staaten ist die Austragung einer internationalen Mammutkonferenz auch ein innen- und außenpolitischer Prestigegewinn - und wer will nicht, wie im speziellen Fall, einen Beitrag zur Rettung des Weltklimas leisten . . .

Dr. Günther Unser ist Politikwissenschaftler, Lehrbeauftragter für Internationale Beziehungen an der RWTH Aachen Universität, Experte für Internationale Organisationen, vor allem für die Europäische Union und die Vereinten Nationen

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Günther Unser
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Jun 5, 2024 13:31