Auf das – auch für ihn desaströse – Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament reagierte Emmanuel Macron umgehend mit der Anberaumung von Neuwahlen zur Nationalversammlung. Die Reaktionen darauf reichten von totaler Überraschung bis zu teilweise geradezu empörter Ablehnung.Deutsche Kommentatoren taten sich besonders hervor. Sie sahen in Macron einen „Vabanque-Spieler,“ eine „Flucht nach vorn“ betreibend als jemand, der „schon immer zur Sprunghaftigkeit neigte“, der ausgerechnet in schwieriger Zeit ein zu großes Risiko eingehe, was die Rechte an die Macht bringen dürfte.
Präsident Macron hat sich in der Tat für ein gewagtes Vorgehen entschieden. Als ein herausragender Politiker und französischer Europäer zeigte er dabei zugleich Mut und Führungsqualitäten.
Frankreichs tiefe Krise besteht seit längerem und wurde durch die Europawahlen offengelegt und verschärft. Marie Le Pens Partei übt schon heute indirekten politischen und parlamentarischen Einfluss aus, auch auf das Budgetrecht des Parlaments. Zugleich tendiert die gaullistische Republikanische Partei noch stärker nach rechts.
Die Europawahlen bestätigten einen klaren Trend, der 2027 zu einer Präsidentschaft von Marie Le Pen führen dürfte.
Durch seinen Überraschungscoup mag Macron zunächst die Wähler lediglich herausfordern und aufmischen, sie an ihre große Verantwortung erinnern, neue Allianzen zwischen Parteien auslösen und den Rechtsradikalen einiges an Momentum nehmen.
Bei einer danach nicht zu vermeidenden „co-habitation“ mit der Rechten verbliebe Macron nicht nur in der Außen- und Europapolitikkorrigierender Einfluss. Das könnte alles zu einer Entzauberung der extremen Rechten, zu einer Desillusionierung rechter Wähler beitragen, zumindest zu einer sich fortsetzenden Entwicklung zu mehr Realismus bei Marie Le Pen ähnlich Italiens Premierministerin Meloni.
An einer solchen Linie sind eindeutig rationale Elemente zu erkennen, die allerdings wegen der Radikalität der AfD und der Lasten der Vergangenheit in Deutschland nicht nachvollziehbar sind.