In Gesprächen mit Botschaftern, aber auch mit Auslandskorrespondenten sucht Bundespräsident Frank Walter Steinmeier den Gedankenaustausch über die Weltlage. Sein ernüchterndes Fazit: „Es gibt rund um den Erdball genügend Grund für Nervosität.“
Politik sei nicht einfacher geworden. Er kenne kaum ein Land, das er bereist habe, in dem die politischen Verhältnisse einfach seien, sagte der Bundespräsident im Treffen mit Korrespondenten im Schloss Bellevue. diplo.news war dabei.
Wenige Tage zuvor habe er auch mit rund hundert Diplomaten aus aller Welt einen Tag lang die unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. „Die Tendenz ist auf allen Kontinenten beängstigend.“ Die großen Themen seien der Klimawandel und die Migration, sowohl das Flüchtlingswesen in den Ländern des Nordens als auch die Flüchtlingswanderungen innerhalb der Länder des südlichen Globus.
Die Ergebnisse der Europawahl seien mit Blick auf einen Rechtsruck in Europa zu vorschnell kommentiert worden, sagte Steinmeier, auch wenn die Wahlergebnisse in Frankreich und Deutschland natürlich alles schwieriger machten.
„Das starke Anwachsen des Rassemblement National (RN) in Frankreich trifft uns in einer Phase, wo nichts so dringend gebraucht wird in Europa wie Geschlossenheit.“ Diese Geschlossenheit habe bis heute gehalten. „Wie sie mit diesen Wahlergebnissen weiter geht, ist völlig offen.“
Zur Europamüdigkeit meinte Steinmeier: „Es war vermutlich noch nie so schwierig, für Europa zu kämpfen. Aber es war noch nie so wichtig.“
Polarisierung und schwächelnde Mitte
Deutschland habe lange Zeit das Glück gehabt, dass sich im Parteiensystem nichts änderte. „Aber die jetzige Polarisierung der Gesellschaft hat zur Folge, dass Links- und Rechtsextremismus stärker werden und die Mitte schwächelt. Das ist keine gute Entwicklung für Deutschland.“ Es gebe keine Alternative, als den Menschen immer wieder zu signalisieren, dass die Politik doch ihre Interessen im Auge habe.
Die Parteien der Mitte müssten aber auch signalisieren, dass sie zur Zusammenarbeit bereit seien. Zum Beispiel beim Thema Flüchtlinge und Migranten sei viel zu lange nicht genügend aufgearbeitet worden. Auch die jüngsten Kompromisse auf europäischer Ebene dürften viele Menschen nicht beruhigen.
Steinmeier äußerte sich relativ deutlich und ausführlich über weitere politische und gesellschaftliche Probleme, die ihn besorgten, auch über aktuelle Konflikte und Kriege, legte aber großen Wert darauf, damit nicht zitiert zu werden.