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Der Faktor Akustik

Was bei der Planung eines Nationalfeiertagsempfangs in Berlin beachtet werden sollte
Karikatur: diplo.news / Slava Nikolaev

•Das Dilemma

Das schmerzt in den Ohren und im Herzen. Vorne spielen Künstler, in der Regel die besten, die das Land des Gastgebers aufzubieten hat; rundherum lauschen angestrengt andächtig ein paar Gäste. Doch weiter hinten unterhalten sich die meisten Gäste fröhlich und ungeniert. Der gute Ton würde es gebieten, ein paar Minuten inne- und sich mit den Gesprächen zurückzuhalten. Doch hinten hat der gute Ton keine Chance. Und deswegen haben auch vorne die schönen Töne der musikalischen Live-Darbietungen wenig Chance. Ein Dilemma.

• Bitte Ruhe!

Was tun? Es gibt immer wieder Versuche, auf diplomatische Art und Weise Disziplin in die Gästeschar zu bringen. Da war die Idee mit den weiß verhüllten Pantomimen, die sich mit dem Finger auf den Lippen durch das Stehpublikum schleichen und Ruhe anmahnen. Charmant, aber nicht effektiv. Ebenfalls nicht effektiv und schon gar nicht charmant ist die Idee mit wandelnden „Bitte Ruhe!“-Schildern.

• Zweiteilung

Ein Botschafter versuchte es einmal wie folgt: Er teilte den Empfang in zwei Teile. Zunächst wurden die Gäste in die aufgestellten Stuhlreihen gebeten. Dort saßen sie aufgefädelt wie im Konzertsaal. Es blieb ihnen nichts anders übrig, als konzentriert nach vorne zu schauen, die Musik zu genießen, still zu bleiben und schließlich heftig zu applaudieren. Der Applaus war nur möglich, weil sie kein Glas mit prickelndem Inhalt in der Hand halten mussten. Denn Applaus mit Sektflöte ist bekanntlich schwierig. Erst danach durften sich die Gäste erheben und dem zweiten Teil des Empfangs widmen, nämlich der Kulinarik und der Kommunikation.

• Disziplin

Das brachte zwar die gewünschte Disziplin, doch hat auch dieses System Nachteile. Erstens benötigt man eine große Veranstaltungsfläche, um den Konzertsaal zu imitieren und anschließend ausreichend Stehfläche zu haben. Nicht jede Botschaft oder Residenz hat so viel Repräsentationsfläche. Bei einem Empfang im Hotel käme dadurch ganz viel Miete zusammen.

• Kompromiss

Der Kompromiss - auch das habe ich schon oft erlebt - wäre eine technische Pause: Ein Heer von Mitarbeitern (kostenintensiv!) entfernt die Stühle, um rasch Platz für den Stehempfang zu schaffen. Währenddessen müssen die Gäste aber an den Rand gedrängt abwarten, bis die Fläche frei und das Buffet eröffnet ist. Auch dieser Situation fehlen irgendwie Charme und Eleganz.

• Buffetgerüche beim Konzert

Und noch ein Nachteil: Während des Konzerts wabern von hinten appetitanregende Buffetgerüche durch den improvisierten Konzertsaal. Das lenkt vom Musikgenuss dann doch etwas ab, selbst wenn die Künstler ganz große Stars sind.

• Hinweis auf Einladung

Jan Martensen vom Waldorf Astoria - keiner in Deutschland hat so viel Erfahrung mit diplomatischen Empfängen - schlägt vor, schon in der Einladung darauf hinzuweisen. Also nicht bloß zum Empfang zu bitten, sondern zu einem „Konzert mit anschließendem Empfang“ einzuladen. So ließen sich die Gäste darauf einstimmen. Das könnte wenigstens ein bisschen helfen.

• Brüskierung der Künstler

Für die Gastgeber ist es oft eine Brüskierung, bedeuten doch Künstlerauftritte mit Anreise, Hotel und Proben großen Kosten- und Zeitaufwand. Für die Vorzeigekünstler des jeweiligen Landes ist es eine Nervenprobe an der Grenze zur Beleidigung. Sie sind ja nicht gewohnt, nur Hintergrundmusik für die Konversationen der Gäste zu erzeugen. Das mitzuerleben, ist oft wirklich peinlich. Ebenso peinlich ist es übrigens, wenn jemand eine Welle von Psst!-Gezischel durchs Publikum schickt, kurz darauf aber selbst beim Tratschen erwischt wird.

• Schöne Töne, guter Ton

Die andere Seite freilich ist: Das Wichtigste am Botschaftsempfang ist weder die Rede des Botschafters oder der Botschafterin noch die Musikeinlage noch das Buffet. Das Wichtigste am Botschaftsempfang ist nun mal das Netzwerken: die Vertiefung von Beziehungen, der Austausch von Informationen, das Verbreiten von Gerüchten, die Einschätzung der Lage, das Aushorchen von Geheimnissen, die Anbahnung von Projekten und die Sondierung von Geschäften. Dafür sind zumindest die professionellen Gäste ja gekommen. Und nicht für die Musik oder das Buffet. Demnach wird sich das Reden und Tuscheln nie vermeiden lassen. Es gehört dazu. Mit anderen Worten: Das Problem schöne Töne versus guter Ton scheint mir unlösbar. Wer die Lösung hat, möge sich bitte – laut – melden.

•Beschallungsanlage

Die Akustik hängt auch von Mikrofon und Lautsprecheranlage ab. Es ist peinlich und unprofessionell, wenn Rauschen und Knistern, Pfeifen und Quietschen den Vortrag ruinieren. Oder wenn das Mikrofon immer wieder ausfällt. Vorherige Tonproben zeigen, wo die Gefahr einer Rückkopplung lauert und wie das Mikrofon ausgerichtet sein muss, damit es nicht ungünstig zum Lautsprecher steht. Weg von den Lautsprecherboxen! Auch die Höheneinstellung des Mikrofonstativs sollte der Körpergröße des jeweiligen Redners angepasst werden. Spricht etwa ein kleinwüchsiger Botschafter ins Mikro und danach ein großgewachsener Staatssekretär, sollte man ihm das Mikro entsprechend adjustieren.