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Zeugenaussagen nordkoreanischer Überläufer

Was Flüchtlinge nach der Zwangsrückführung in Nordkorea erwartet
Autor:
Bernd Bauer
/
November 14, 2024
July 3, 2024
Eines von vielen Umerziehungslagern in Nordkorea (Foto: Archiv)

Nordkoreaner, denen die Flucht ins Ausland gelungen war, die aber zwangsweise in ihre Heimat ausgeliefert wurden, erwartet in Umerziehungslagern und Haftanstalten die Hölle. Das geht aus zahlreichen Zeugenaussagen hervor, die diplo.news vorliegen. Offenbar werden unter Kim Jong-un in den Haftanstalten des Ministeriums für Staatssicherheit wesentlich schlimmere Folterungen und Menschenrechtsverletzungen verübt als unter Kim Jong-il. 

 Aus einem Umerziehungslager in der Provinz Nord-Hamgyong wird berichtet, wie Insassen in Einzelhaft unter schlechtesten hygienischen Bedingungen gehalten werden. Insassen in Einzelhaft sind in würfelförmigen Zellen von 120 Zentimetern Breite untergebracht, in denen sie nur liegen können, indem sie den Kopf seitlich ausgerichten. Der Boden der Zelle besteht aus Brettern, die angehoben werden, um eine offene Toilette freizulegen. Die miese Hygiene und der üble Geruch machen die Personen für Ausschläge und Infektionen anfällig. 

 In einem Gefängnis im Ministerium für Staatssicherheit werden Insassen vor den Augen der anderen auf den Kopf geschlagen, wenn sie nicht stramm auf dem Boden sitzen. In kollektiver Bestrafung der Insassen einer Zelle werden gezwungen, sich hinzuknien und die Arme stundenlang nach vorne zu strecken. Bitten nach Toilettenbenutzung werden von den Aufsehen oft abgeschlagen, sodass die Gefangenen an Ort und Stelle ausscheiden müssen. 

 In der Zelle müssen die Häftlinge stramm sitzen, ohne sich zu bewegen. Sollte sich einer bewegen, wird er geschlagen und beschimpft. Wird ein Häftling in den Verhörraum gebracht, werden seine Handgelenke gefesselt und die Füße an den Schreibtisch gekettet.

 Wer schlecht auffällt, muss sich hinknien und wird wiederholt mit großen Spritznadeln in Arme und Beine gestochen. Solche Prozeduren können über zehn Minuten andauern. 

 Weibliche Häftlinge werden bei ihrer Ankunft auf einem Tisch ausgebreitet und von mehreren jungen männlichen Aufsehern vaginal inspiziert. 

 Aus dem Kaechon Umerziehungslager in der Provinz Süd-Pyongan wird berichtet, dass Insassen – sogar jene, die für den Küchendienst eingeteilt sind – aufgrund mangelnder Verpflegung Madenwürmer und Ratten essen. 

 Der Hunger ist so groß, dass die Insassen alles essen, was sie finden können, neben Würmern und Ratten auch Schlangen und Frösche. Einige sammelten sogar Maden aus menschlichen Überresten ein. Ratten werden oft gegen geschmuggelte Zigaretten oder Maismehl getauscht. 

 Wenn ein Häftling aus Hunger Essen stiehlt und erwischt wird, kommt er in Einzelhaft. Auch in geschwächtem Zustand werden sie zu schweren Arbeiten herangezogen.

 Der Tod durch Unterernährung, Krankheiten oder katastrophale Hygiene ist an der Tagesordnung. Die Verstorbenen werden so lange in einem Leichenraum aufbewahrt, bis der mit zehn Leichen gefüllt ist. Erst dann erfolgt die Einäscherung. Im Leichenlager gibt es keine Kühlung, weshalb in dem Bereich übler Geruch herrscht. 

 Bei Verhören im Ministerium müssen die Personen knien und dürfen sich nicht bewegen. Bei Falschaussagen werden sie entkleidet und müssen die Nacht kniend in einer kalten Zelle verbringen oder werden mit Metallrohren verprügelt.

 Junge Frauen werden nachts unter dem Vorwand eines Verhörs in eine Zelle gerufen und mit dem Versprechen einer Strafmilderung belästigt oder sexuell missbraucht. Frauen mit schönen Gesichtszügen holt sich der Leiter eines Lagers zu sich und missbraucht sie. 

 Die unzureichende medizinische Versorgung führt allein im Umerziehungslager der Provinz Nord-Hamgyong zu mehr als zehn Todesfällen pro Woche. Die Gebäude sind von Kakerlaken, Bettwanzen, Läuse und sonstige Parasiten befallen. Häftlinge, die aus menschlichen Abfällen Düngemittel herstellen müssen, dürfen weder Handschuhe tragen noch die Hände waschen. 

 Eine Nordkoreanerin, die aus China zwangsrepatriiert wurde und im Ministerium für Öffentliche Sicherheit verhört wurde, musste Fragen beantworten wie „Welche Fernsehsendungen hast du in China gesehen?“ Dabei wurde sie mit Bambusstöcken geschlagen, bis sie mit Blutergüssen übersät war und nicht mehr laufen konnte. Nach der Rückkehr in ihre Zelle zogen sie die Wärter aus, begrapschten sie und schlugen sie erneut, wenn sie sich wehrte. Während der Zwangsarbeit aß sie Gras und Ungeziefer. Als sie erwischt wurde, wie sie einen Frosch aß, wurde sie bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen. 

 In einem anderen Lager in der Provinz Nord-Pyongan wurde eine schwangere Nordkoreanerin, die aus China ausgeliefert worden war, vom Leiter des Lagers gezwungen, das Kind abtreiben zu lassen, weil sie mit einem chinesischen Kind schwanger sei. Nach Spritzen in den Unterlaib erlitt sie eine Totgeburt. Das ist kein Einzelfall: Auch in anderen Lagern werden zwangsrepatriierte Frauen, die in China schwanger wurden, besonders verachtet. Die Wärter sagen: „Chinesische Hunderassen sind nicht erlaubt, sie müssen sterben“ und zwingen die Frauen zur Abtreibung. 

 Als der Leiter eines Lagers in der Provinz Chagang die Schwangerschaft einer Insassin bemerkte, drückte er seine Verachtung für Frauen wie aus und sagte Zeugen zufolge: „Wie großzügig dieses Land ist, dass es diese Menschen am Leben lässt, sie in ein Gefangenenlager schickt und sogar den Kinderabfall entfernt, der eine andere Nationalität hat als wir!“ 

 Die Abtreibungen erfolgen durch einen „Geburtshelfer“ in einer Klinik, indem eine dicke Nadel in die Frau eingeführt wird, um den Kopf des Fötus zu durchstechen, wobei Gift injiziert wird. Nach 15 Stunden wird das Kind tot geboren, in eine Tüte gewickelt und an Hunde verfüttert. 

 Bernd Bauer